On the road again – von Campeche durch Mexikos Süden nach Puebla

On the road again – Rudolph rollt wieder 🙂 Es ist ein fantastisches Gefühl, nach vier Wochen wieder in unserem Zuhause auf Rädern zu sein. Mit einem fetten Grinsen sind wir von Mérida nach Campeche unterwegs. Die Hafenstadt am südlichen Golf von Mexiko gefällt uns. Das historische Zentrum ist friedlich und bunt. Wir schlendern durch die alten Gassen und besteigen die Festungsmauern, welche die Stadt umgeben und einst dazu dienten, englische, französische und holländische Piraten abzuwehren.

Wir fahren weiter nördlich, der schönen Küstenstrasse entlang. In Ciudad del Carmen machen wir eine Pause für einen Strandspaziergang.

Die folgende Nacht verbringen wir bei einer Pemex, einer mexikanischen Tankstelle. Bei Sonnenaufgang fahren wir wieder los und kommen erst beim Eindunkeln am nächsten Übernachtungsplatz an. Die letzten Kilometer führen uns geschlängelt durch den Wald ins zentrale Hochland Mexikos. Die Nacht auf dem Mirador, einem Aussichtspunkt im Valle Central, wird bissig kalt. Die Höhe ist mal wieder merklich spürbar.

Mit Oaxaca erwartet uns eine belebte Künstlerstadt mit eleganten Kolonialhäusern und prunken Kirchen. Uns gefallen besonders die geschäftigen Märkte und dass auf den Strassen so viel los ist. Hier und da läuft Musik, werden Darbietungen vorgeführt, Hochzeiten und andere Feste gefeiert.

Im autofreien Zentrum Oaxacas wimmelt es von Verkäufern, Reisenden und farbenfroh gekleideten Indigenen aus der Umgebung. Auf dem Hauptplatz campieren Studenten und eine politisch geflüchtete Minderheit zum Protest.

Der Souvenir- und Essensmarkt ist zwar sehr toll, aber auch ziemlich touristisch. Da ist der grosse Samstagsmarkt, der Mercado de Abastos, ausserhalb der Altstadt authentischer. Wir geniessen den wunderbaren Mix an Geräuschen, Gerüchen und Farben. Von Insekten, rostigem Werkzeug, frischem Gemüse, Fleisch und Fisch zu Kleidern, Kunsthandwerk, Schweinen und Hühnern wird hier wieder einmal alles angeboten, was man sich nur vorstellen kann.

Oaxaca ist zudem bekannt für leckere Schokolade und Frischkäse sowie hochprozentigen Mezcal.

Im nahe gelegenen Dorf Santa María de Tule steht nebst der Kirche ein gigantischer Baum, der unglaubliche mehr als 2000 Jahre alt sein soll. Mit einer Höhe von über 40 und einem Durchmesser von 14 Metern ist der Árbol del Tule jedenfalls ganz schön imposant.

Wir fahren weiter ins fruchtbare Hochtal von Oaxaca und gelangen nach Hierve El Agua. Ein Ort, der uns von anderen Reisenden mehrfach empfohlen wurde, von dem wir aber kaum etwas wissen. Wir sind gespannt, was uns heute erwartet. Wow – und werden nicht enttäuscht! Wir blicken auf ein weites Tal mit Hügeln voller Kakteen, Gesteinsformationen und natürlichen Badebecken. Das mineralreiche Wasser, das von Kalk übersättigt ist, hat zwei weisse, „versteinerte“ Wasserfälle gebildet. Anders als es der Name vermuten lässt, vermag die heisse Quelle das Wasser im Pool nur leicht erwärmen. Doch nur schon wegen der traumhaften Aussicht lohnt sich ein frühmorgendlicher Sprung ins kühle Nass.

Wir lernen Celine und Mike aus Winterthur kennen. Die beiden sind mit ihrer Viejita, einem mexikanischen VW-Bulli, unterwegs nach Panama. Wir verstehen uns auf Anhieb sehr gut und beschliessen, den Tag zusammen zu verbringen. Wir fahren zurück durchs Tal von Oaxaca. Genau so haben wir uns Mexiko vorgestellt. Das Postkartenbild einer trockenen, fast menschenleeren Landschaft mit riesigen Kakteen, Männern im Pferdesattel, grasenden Eseln und Felder voller Agaven zur Herstellung von Tequila und Mezcal.

Im Dorf Tlacolula besuchen wir den indigenen Markt, lassen uns die örtliche Spezialität, eine gut gewürzte Ziegenfleisch-Suppe, und ein paar Gläschen Mezcal schmecken. Wie der Tequila wird auch der Mezcal aus dem Saft der Agave gewonnen, doch nur die aus der Region um die Stadt Tequila im Bundesstaat Jalisco stammende Spirituose darf sich Tequila nennen.

In Guendulain stehen wir zusammen mit Celine und Mike auf einem Campingplatz auf dem Grundstück eines kanadisch-amerikanischen Ehepaars. Wir erledigen und organisieren ein paar Sachen, mechen am Fahrzeug und Mike und Thomas versuchen leider erfolglos unseren Kühlschrank, der seit der Abfahrt in Mérida den Geist aufgegeben hat, zu reparieren.

Anderntags steht uns ein langer Fahrtag bevor. Von Oaxaca geht’s kurvenreich vom kühlen und nebligen Hochland an die tropisch heisse Pazifikküste herunter.

Im kleinen Hippie-Ort Playa Zipolite erfreuen wir uns eines schönen Meeresfront-Stellplatzes auf dem Camping La Habana.

Nach dem Motto „leben und leben lassen“ wird am Strand von Zipolite das Nacktbaden toleriert, was nur in ganz wenigen Orten in Mexiko der Fall ist. Die Atmosphäre am breiten Strand und in der Fussgängerzone mit ein paar Fisch- und Taco-Restaurants ist sehr chillig.

Der Küste von Oaxaca entlang tuckern wir nach Norden und halten unterwegs beim Meeresvorsprung Punta Cometa an. Die Sicht auf die felsige Küste und menschenleeren Strände und das Geräusch der rauen Brandung gefällt uns unglaublich gut.

In Mexiko existieren sieben von weltweit acht Meeresschildkröten-Arten. Vier davon leben vor der Küste Oaxacas. In der Gemeinde Escobilla widmet sich das Projekt „Feliz Tortuga“ dem Schutz der vom Aussterben bedrohten Schildkröten. Wir buchen eine Tour, bei der wir Golfina-Schildkrötchen, die vor wenigen Stunden geschlüpft sind, am Strand frei lassen dürfen. Wie es ihre Vorfahren seit Millionen von Jahren tun, kommen die Weibchen im Alter ab acht Jahren an den Strand zurück, wo sie selbst geboren wurden, um ihre Eier zu legen. Nebst den vielen natürlichen Feinden bedrohen die Menschen und die Umweltverschmutzung ihr Überleben. Nur ein einziges Prozent der Jungtiere wird es schaffen. Die Guides leisten dabei grossartige Arbeit. Jede Nacht verbringen sie Stunden am Strand, um Eier einzusammeln und jeden Tag gehen sie mit Touristen raus, die es wie wir so toll und süss finden, die Babyschildkrötchen frei zu lassen. Für die Männer selbst ist die Arbeit oft ermüdend und frustrierend. Nicht jeder kann das, erzählt uns unser Guide. Er selbst habe nie eine Schule besucht, aber mit den Meeresschildkröten kenne er sich dafür umso besser aus. Wir sehen den Winzlingen nach, wie sie instinktiv zum Meer krabbeln und in den Wellen verschwinden und hoffen, dass möglichst viele zurückkehren werden.

Die Nacht dürfen wir beim Ecozentrum auf der Wiese mit Feuerstelle verbringen.

Auf der Fahrt nach Puerto Escondido machen wir Halt bei einer kleinen Fabrik, vor dessen Eingang ein grosser Haufen Erdnüsse darauf wartet, zu Butter verarbeitet zu werden.

Puerto Escondido, der „unentdeckte Hafen“, wurde in den 70er Jahren von Hippies „entdeckt“ und entwickelte sich danach zu einem der grössten Touristenorte Mexikos. Der Playa Zicatella ist besonder bei Surfern beliebt, wobei die Wellen zu dieser Jahreszeit nicht so hoch sind.

Abends erfreuen wir uns eines grossen Openair-Konzerts der kubanischen Band Gente de Zona.

Die nächsten 400 Kilometer bis nach Acapulco brauchen Zeit und Geduld. Nebst den vielen Kurven sind es vor allem die in Mexiko so beliebten Geschwindigkeitsschwellen. Grosse und kleine, offizielle und selbst gebaute, signalisierte und versteckte – die unzähligen Speedbumbs, hier Topes oder Reductores genannt, können echt fies und ziemlich nervig sein. In Cuajinicuilapa verbringen wir wieder eine Nacht auf einer  Pemex-Tankstelle und fahren anderntags früh wieder los. Am Nachmittag erreichen wir schliesslich die Hafenstadt Acapulco.

Ein Traum geht in Erfüllung. Seit ich als Teenager das Buch „die Klippen von Acapulco“ von Federica de Cesco gelesen habe, möchte ich die weltberühmten Klippenspringer sehen. Einer Legende nach sprang ein Fischer vor rund 100 Jahren das ersta Mal von der Quebrade, einem Felsen in Acapulco. Seit Jahren führen die Clavadistas profesionales, die professionellen Klippenspringer, täglich mehrere Vorstellungen vor. Jeder Sprung ist waghalsig und todesmutig. Zu Beginn der Vorführung erklimmen die Clavadistas die fast 40 Meter hohe Wand ohne irgendeine Absicherung. Oben verrichten sie ein Gebet und springen dann in die Tiefe. Der Sprung muss so berechnet sein, dass eine hereinkommende Welle den Springer davor bewahrt, auf dem Felsen aufzuprallen.

Wir verlassen die Küste und fahren wieder ins Inland. Auf 1800 Meter Höhe liegt die Silberstadt Taxco inmitten einer malerischen Bergkulisse. In den romantischen Gassen tummeln sich Touristen und kurven viele VW-Käfer umher.

Puebla, eine Provinzhauptstadt südöstlich von Mexiko City, ist bekannt für Töpfereien und kobaltblaue Keramik-Fliesen, die Kuppen und Wände verzieren. Ein paar Kilometer ausserhalb der Stadt raucht der 5400 Meter hohe, aktive Vulkan Popocatépetl. Wir bummeln durch die Altstadt und schmökern in den vielen Antiquitäten-Läden. Die Schäden vom grossen Erdeben vom 19. September 2017 sind noch immer sichtbar.

Das Volkswagen- und Audi-Werk ist ein grosser Arbeitgeber in Puebla, weshalb hier viele Deutsche leben. Auch Danny arbeitet während drei Jahren fürs VW-Werk in Mexiko. Wir haben Danny, Christiane und ihre vier aufgestellten Kinder in ihrem Urlaub in Guatemala kennengelernt und dürfen sie nun bei sich Zuhause in Puebla besuchen. Wir freuen uns riesig über das Wiedersehen und die herzliche Gastfreundschaft der Familie. Wir geniessen super gesellige Tage. Auch in Mexiko ist es jetzt Winter, wobei der Temperaturunterschied zwischen Tag und Nacht 20 Grad ausmacht. Tagsüber ist es sonnig warm, sodass wir den deutschen Weihnachtsmarkt mit Flipflops besuchen. Abends wird es früh dunkel und kalt, was aber die warme Stube noch gemütlicher macht.

Eigentlich wollten wir schon weiterfahren, als uns Christiane und Danny einladen, mit ihnen und ihren Freunden übers Wochenende an den Lago Tequesquitengo zu fahren. Es ist ein Abschiedsfest von zwei Familien, die bald nach Deutschland zurückkehren. Auswandern auf Zeit – uns imponiert der Mut dieser Familien, ihren Alltag im Heimatland für ein paar Jahre zu verlassen. Es wird ein tolles Wochenende mit vielen spannenden Gesprächen und einer lustigen und fröhlichen Stimmung.

Bevor wir weiterfahren, gibt es noch das eine und andere zu erledigen. Thomas geht zum Zahnarzt, Rudolph bekommt neue Bremsen und glücklicherweise finden wir jemanden, der unseren Kühlschrank reparieren kann.

Nach den wunderschönen Tagen fällt uns der Abschied nicht leicht und so hoffen wir auf ein baldiges Wiedersehen und sagen vielen lieben Dank für die super tolle Zeit!

Mexiko – Backpacking durch Chiapas & Couchsurfing in Mérida

Ich stelle mir einen älteren, schäbigen Bus vor und dass wir den Fahrpreis mit dem Chauffeur verhandeln werden. Tatsächlich erwartet uns ein ultramoderner Busbahnhof mit Wifi und USB-Plugins. Nicht etwa beim Chauffeur, sondern am offiziellen Schalter kaufen wir ein Ticket für den Nachtbus von Mérida nach Palenque und während der gut 500 Kilometer langen Fahrt geniessen wir komfortable Liege-Sitze. Mexiko überrascht uns einmal mehr.

Da der Reisebus schon um Sechs in Palenque ankommt, beschliessen wir die Maya-Ruinen noch am selben Morgen zu besuchen. Im dichten Urwald sind aus der Ferne Brüllaffen zu hören. Die Treppenstufen hoch zu den Pyramiden sind in der feuchtheissen Luft ganz schön schweisstreibend. Von 615 bis 683 war Palenque König Pakals Reich. Pakal starb im damals unglaublich hohen Alter von 80 Jahren und wurde im Tempel der Inschriften begraben. 1952 wurde das Grab mit der Totenmaske aus Jademosaik, dem Skelett voller Edelsteine und anderen Grabbeigaben entdeckt. Es war einer der grössten archäologischen Maya-Funde der Geschichte.

Als Palenque Anfang des 10. Jahrhunderts unterging, wurde die Stadt dem Dschungel überlassen. Heute sind die Haupttempel der Anlage ausgegraben und restauriert, doch viele Steine liegen noch im Urwald begraben.

Die Skulpturen, Glyphen und Flachreliefs im Museum beeindrucken uns. Sie erzählen viel über das Leben und die Taten der alten Mayas. Das Eindrücklichste ist die Nachbildung in Echtgrösse des mit Gravuren verzierten Sarkophargs des mächtigen Herrschers Pakal.

Der Pool bei den Cabañas Kin Balam sorgt am Nachmittag für die ersehnte Abkühlung.

Die nächste Nacht verbringen wir wieder im Reisebus. Wir bleiben in der südlichen Provinz Chiapas, verlassen aber das tropische Flachland und fahren in die Berge nach San Cristóbal de las Casas.

Nach dem heissen Wetter der letzten Wochen erwartet uns eine ungewohnt kühle Luft. Die Höhe von 2100 Meter über Meer ist deutlich spürbar. Nach einer wärmenden Tasse Kaffee geht’s ins Rossco Backpackers Hostel, eine Art Jugendherberge mit grünem Innenhof.

Nach zwei Nächten sind die Etagenbetten im 10er-Schlafsaal ausgebucht. Also ziehen wir in ein französisches Bed- und Brackfast um. Auch hier gibt es keine Betten mehr im Dorm, dafür ein günstiges Doppelzimmer mit Gemeinschaftsbad.

San Cris, die Kurzform von San Cristóbal de las Casas, ist ein charmantes Kolonialstädtchen. Viele herzige Cafes und Bars, einstöckige, bunte Häuser und lebhafte Fussgängerzonen verleihen dem Ort eine gemütliche und entspannte Atmosphäre.

In den schmalen Gassen tummelt sich ein ganz witziger Mix aus Menschen aus aller Welt. Nebst der indigenen Bevölkerung ist alles von Hippies über Aussteiger zu Luxusreisenden, Backpackern und Auswanderern, Strassenkünstlern und –verkäufern anzutreffen. Entsprechend vielfältig ist auch das kulinarische Angebot. Nebst der mexikanischen Küche gibt es vegane Restaurants, ein libanesischer Falafel-Stand, französische Bäckereien und sogar eine holländische Pommesbude 😉

Wobei der meist gut betuchte Tourist auf die Ärmsten im Land trifft. In Mexiko soll es die extremsten Einkommensunterschiede von ganz Lateinamerika geben. Hier in Chiapas sind die Nachkommen der alten Maya oft von Armut betroffen. Die indigenen Frauen mit ihren Kindern schleppen von morgens früh bis abends spät Schals, Ponchos und bestickte Blusen durch die Strassen. Junge Mädchen verkaufen selbstgemachte Herzen und die Jungs putzen Schuhe. Dass die Kinder hier blos fünf Jahre zur Schule gehen und so früh arbeiten müssen, bedrückt uns sehr. Doch die jungen Mütter machen uns auch grossen Eindruck. Sie strahlen eine solch grosse Ruhe aus, sodass ihre Kinder, die sie immer bei sich haben, ganz ausgeglichen und geborgen scheinen und kaum quengeln oder weinen.

Die Folgen des grossen Erdbebens vom 8. September 2017 an der Küste von Chiapas sind auch in San Cris zu sehen, wobei vor allem Kirchen und Amtsgebäude abgesperrt und eingerüstet sind. So findet der Gottesdienst momentan unter einem Festzelt auf dem Platz vor der Kathedrale statt.

Während es an manchen Tagen dank Sonnenschein angenehm warm ist, ists an anderen ganz schön regnerisch und windig. Gegen die kühlen Temperaturen hilft Tee trinken und für Vitame sorgen leckere, frisch gepresste Orangensäfte am Strassenrand. Am Markt gibt es zudem herrliche Früchte, viel Gemüse, Kräuter und Chilis und natürlich Taco-Stände. Auch der liebevolle und bunte Kunsthandwerks-Markt gefällt uns sehr.

Wir treffen die Weltreisenden Fabiola und Sebastian wieder, die wir im Hostel in Mérida kennengelernt haben. Zusammen verbringen wir gemütliche Tage, besuchen das Maya-Natur-Medizin-Museum und eine tolle Wein- und Tapas-Bar.

Da das trübe Wetter anhält, besuchen wir noch in ein paar weitere Museen. Im Museo del Ámbar dreht sich alles um Bernstein, den es im Bundesstaat Chiapas preiswert zu kaufen gibt.

Nebst Bernstein gibt es in Chiapas reichlich Jade, von hell bis dunkel grün. Im Museumspreis inbegriffen ist zudem das Cacao-Museum.

Zu guter Letzt darf das Museum Na Bolom nicht fehlen, das Haus der Schweizerin Gertrude Duby-Blom und ihres dänischen Ehemanns Frans Blom. 1901 im Berner Oberland geboren, fochte Gertrud „Trudi“ Lörtscher für Frieden und Gerechtigkeit und engagierte sich in der Widerstandsbewegung gegen Nazi-Deutschland. Nach einer Internerierung in Frankreich, wanderte sie nach Mexiko aus und verbrachte mehr als die Hälfte ihres Lebens in San Cristóbal. Als Journalistin, Fotografin, Sozialistin und Umweltschützerin dokumentierte Trudi mit ihrem Mann die Mayakulturen von Chiapas und setzte sich besonders für den Stamm der Lacandonen ein. Ein Volk, dass sich jahrhundertelang der Zivilisation fernhalten konnte, dessen Lebensgrundlage durch die Abholzung der Tropenwälder aber stark gefährdet ist. 1993 starb Trudi Blom, doch ihr Lebenswerk lebt als Museum und Studienzentrum weiter.

Nebst all den Museen nehmen wir an einer super interessanten Free-Walking-Tour teil, bei der wir wieder andere Rucksack-Reisende kennenlernen.

Zusammen mit der Belgierin Laura, die wir ebenfalls in Mérida kennengelernt haben, buchen wir eine Tour zu den benachbarten Indígena-Dörfern San Juan Chamula und Zinacantán. Die Einwohner dieser Dörfer sind stark autonomiebestrebte Tzotzil-Maya, die bis heute ihre ganz eigenen Bräuche und Glaubensvorstellungen leben. Auf dem Friedhof in Chamula zeigt sich der bescheidene Wohlstand der Menschen in der Einfachheit der Bestattung. Die Farbe der Holzkreuze steht für das Alter der Verstorbenen – Schwarz für über 50-Jährige, Grün für unter 50-Jährige und Weiss für Kinder. Bei den Familiengräbern sind mehrere Kreuze hintereinander aufgereiht. Die dahinterliegende Kirche ist eine Ruine und wird von den Tzotzil für Rituale verwendet.

Die meisten Dorfbewohner leben in einfachen Behausungen, vom Verkauf von Kunsthandwerk oder der Landwirtschaft. Einige haben das Glück, Familienmitglieder im Ausland, meist in den USA, zu haben, die ihnen Geld schicken.

Die Dorfkirche San Juan Bautista sieht von aussen wie eine normale, katholische Kirche aus. Ein Blick ins Innere verrät aber anderes, wobei das Fotografieren streng verboten ist. Anstelle von Sitzbänken ist der Boden mit Kiefernadeln bedeckt. Menschen hocken und knien in Gruppen am Boden. Von der Decke hängen bunte Tücher als Symbol, dass wir uns insgeheim in einem Tempel und nicht in einer Kirche aufhalten. Medizinmänner und -frauen murmeln Gebete. Vorsichtig schleichen wir zwischen den Betenden umher. Der Geruch von Weihrauch und Kopal hängt in der Luft und Hunderte Kerzen flackern. Weisse Kerzen sind zum beten, farbige sollen Probleme und Sorgen lindern und dunkle helfen bei ernsthaften Problemen. Bei schwerwiegenden Problemen ist meist noch ein Huhn in einem Sack oder einer Tasche dabei, das während des Rituals geopfert wird. Während des Schamanenrituals wird zudem Posh, hochprozentiger Alkohol, getrunken. Damit die bösen Geister dem Körper entweichen, muss zum Schluss des Rituals gerülpst werden. Früher mithilfe von Cacao, heute mit Coca Cola. Die unglaublich geheimnisvolle Stimmung und die für uns kurligen Rituale beeindrucken uns sehr.

Im Dorf Zinacantán sehen wir uns zwei Kirchen an, wovon eine vom Erdbeben in Mitleidenschaft gezogen wurde.

Zinacantán ist für die Zucht von Rosen und anderen Blumen sowie für die Herstellung von Textilien bekannt. Jedes Jahr hat die Tracht eine andere Farbe, dieses Jahr ist sie violett. Wir besuchen eine Textil-Frauenkooperative, die ganz ähnlich und genauso farbenfroh ist, wie diejenigen in Guatemala. Wir dürfen die traditionelle Kleidung, die vor allem von den Frauen auch im Alltag getragen wird, anprobieren.

So würde dann also unsere Hochzeit à la Tzotzil-Maya aussehen 😉

Zu guter Letzt dürfen wir Posh, den selbstgebrauten Alkohol aus Mais, degustieren. Er ist dem Schweizer Schnaps sehr ähnlich und schmeckt uns ganz gut. Was für uns das Brot ist, ist für die Mexikaner die Tortilla. Zu fast jedem Gericht werden die runden Fladen gereicht, die traditionell auf dem Comal, einem Blech, über offenem Feuer erwärmt werden.

In Mexiko macht der Tod ein fröhliches Gesicht. Vor dem Tag der Toten, dem Día de los Muertos, sind grinsende Skelette, Totenköpfe und Särge aus Ton, Schokolade oder Zucker überall erhältlich. Makaber? Wahrscheinlich nur in europäischen Augen. Hier hat der Totenkult eine lange Tradition. Die Menschen glauben, dass die Seelen ihrer verstorbenen Angehörigen in der Nacht vom 1. (Allerheiligen) auf den 2. November (Allerseelen) zu Besuch kommen. In den Häusern errichten die Familien Altäre mit Gaben für die Gäste aus dem Jenseits, die freudig erwartet werden. Kerzen und Blumen weisen ihnen dabei den Weg. Lieblingsspeisen, Bier und Tequila, Zigaretten und was der Verstorbene im Leben sonst noch mochte, werden liebevoll um sein Foto angerichtet. Je nach Region sind die Familien zu Hause oder sie verbringen die Nacht auf dem Friedhof, um mit ihren Toten zusammen zu sein.

Die Gräber und Mausoleen auf den Friedhöfen werden liebevoll geputz, geschrubt, frisch gestrichen und mit Blumen dekoriert. Auf dem Friedhof von San Cris beobachten wir schmunzelnd, wie die Familien mit Campingstühlen zwischen den Gräbern picknicken. Wer sichs leisten kann, hat die Blasmusik mit dabei. Ein Friedhof mit Jahrmarkts-Stimmung, wo auch der Zuckerwatten- und Eisverkäufer nicht fehlen darf.

Wir fahren nochmals ins indigene Dorf Chamula, diesmal mit einem Kleinbus. Hier geht es noch traditioneller zu und her. Die Gräber sind anstelle von teuren Blumengestecken mit Kieferkries und orangen Ringelblumen bedeckt. Zum festlichen Anlass tragen die Tzotzil ihre Trachten. Die Schafsfellröcke der Frauen sind schwarz und die Ponchos der Männer weiss.

Mit dem Nachtbus fahren wir die nächsten 18 Stunden zurück nach Mérida. Wir freuen uns auf das Wiedersehen mit Elora. Die Französin, die in Mérida ein Praktikum in einem Architekturbüro macht, haben wir vor ein paar Wochen im Hostel kennengelernt. Zwischenzeitlich ist sie in die Wohnung von Carlos gezogen. Die beiden bieten uns Couchsurfing an, das heisst kostenfrei auf dem Sofa zu schlafen. Da Rudolphs Ersatzteile aus Deutschland noch nicht da sind, sind wir sehr dankbar darüber, nicht nochmals eine Woche Hostelkosten zu haben.

Mérida empfängt uns mit warmen Temperaturen und einem grossen Openair-Konzert anlässlich eines Halbmarathons.

Auch der Holländer Damon, der in einem Freiwilligenprojekt als Sportlehrer arbeitet, sehen wir wieder und dann kommt noch Sarah, eine deutsche Backpackerin, dazu. Zusammen verbringen wir gemütliche Abende.

Ja und dann probieren wir noch die mexikanische Spezialität Chapulines – knusprig geröstete Heuschrecken mit Salz und Limette. Das heisst, wir sind stolz, eine geschafft zu haben 😉

Da schmeckt uns ein Fisch doch besser. Mit Elora und Sarah geniessen wir nochmals einen Tag in Sisal am Meer.

Dann ist es soweit, nach vier Wochen ist Rudolph repariert und wir dürfen ihn endlich wieder abholen!