Grossmetropole, schneebedeckte Gipfel und berauschende Wellen – Lima und der Norden Perus

In drei Wochen läuft unser Visum für Peru ab. Noch sind wir im Süden. Das Kitesurfen in Paracas hätte uns fast nicht mehr losgelassen. Jedenfalls geht’s nun weiter, auf der Panamericana-Schnellstrasse in Richtung Norden. Zum Kontrast des Natur-Paradieses in Paracas stürzen wir uns in die Grossmetropole Lima. Beim Hostel Hitchhikers ergattern wir gerade noch den letzten Camper-Stellplatz. Dann geht’s auf Entdeckungstour, zu Fuss, mit dem Taxi und bequem mit dem Touri-Doppeldeckerbus. Wir befinden uns im schönen Stadtviertel Miraflores, das so gar nicht unseren Vorstellungen der chaotischen Hauptstadt Perus entspricht. Auf den Klippen am Meer reiht sich eine grüne Park- und Sportanlage an die nächste. Die Strassen sind ruhig, gepflegt und es gibt viele tolle Restaurants, Bäckereien, Cafés und Bars. Ein reiches und modernes Stadtviertel und das Epizentrum der Gringos. Auch das Wetter ist so gar nicht Lima-like. Denn während sich die Stadt meist in eine dicke, graue Nebeldecke einhüllt, strahlt heute die warme Sonne vom blauen Himmel. Wir geniessen das moderne Grossstadtleben und lassen uns kulinarisch mit peruanischen Köstlichkeiten verwöhnen.

Es gibt auch einiges zu erledigen: eine neue Autoversicherung abschliessen, im Salon um die Ecke Wäsche waschen und unsere Gas-Flasche auffüllen lassen. Letzteres geschieht ziemlich experimentierfreudig. In einer Hinterecke des Hofes einer „Gas-Auffüll-Station“ wird eine grosse Flasche auf den Kopf gestellt, damit das Gas durch den Schlauch in unsere Flasche fliesst. Dazwischen muss immer mal wieder der Druck abgelassen werden…

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Als wir die Stadt verlassen, wird uns bewusst, wie enorm weitläufig Lima ist. Es dauert lange, bis wir aus der Riesenstadt draussen sind. Einmal weg vom chicen Miraflores und der Meerespromenade kommen wir am etwas wüsten Hafen vorbei und durch die Armenviertel am Stadtrand. Hier erschrecken uns die Kinder, die an der Ampel betteln. Lima, die Stadt inmitten der Wüste, die sich oberhalb der rauen Pazifik-Küste an den ausgetrockneten Sandhügeln erhebt und ständig weiter wächst, hat viele Fassetten. Beherbergt sie schliesslich rund neun Millionen Einwohner und damit knapp einen Drittel der Landesbevölkerung Perus.
Die Weiterfahrt an der Küste führt uns durch eine trockene Wüstenlandschaft. Mal eine Baustelle, dann wieder ein Ort, sonst nicht viel. Zur Mittagspause blicken wir nochmals aufs Meer hinaus, dann steigen wir in die Höhe. Ein gewagtes Unterfangen, denn die Nacht verbringen wir bereits in der Cordillera Blanca. Wir sehen gerade noch die Sonne untergehen, als wir bei unserem Übernachtungsplatz auf 4200 Meter ankommen.

Die Nacht auf dünn-luftiger Höhe war anstrengend, der Anstieg einfach zu gross. Immer wieder wurden wir wach, schnappten nach Luft. Dazu ein Traum, der sich in einer Endlosschleife zu wiederholen schien. Wir sind froh, als der Morgen erwacht. Was hilft? Viel Wasser und Coca-Tee trinken, dazu die Bewegung an der frischen Luft. Obschon uns bereits wenige Schritte den Hang empor ins Keuchen bringen, erwachen unsere müden Geister allmählich. Für gute Laune sorgt ein Feld voller Riesenbromelien. Die Pflanzen, die zu den grössten Ananasgewächsen der Welt gehören, werden Puya Raimondii genannt. Sie können bis zu zehn Meter hoch und 100 Jahre als werden, dabei blühen sie nur einmal in ihrem Leben und sterben danach ab.

Wir scheinen alleine in dieser einsamen Gegend zu sein. Nicht ganz, denn der Zufall will es, dass wir einmal mehr den Schweizern Susi und Ruedi mit ihrem australischen Camper begegnen (wir haben die Zwei schon in und um Cusco mehrmals angetroffen).

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Perus berühmte Cordillera Blanca, die weisse Kordillere, ist bekannt als höchste Gebirgskette des amerikanischen Kontinents. Hier türmen sich über 50 Schneegipfel und Gletscher, die höher als 5700 Meter sind. Unglaublich! Nebst den Riesengipfeln gibt es bilderbuchhafte Täler und viele Seen. Auf spannenden Schotterpisten kurven wir durch die spektakuläre Hochebene. Trotz oder genau wegen des Regens und Nebels eine abenteuerliche Fahrt!

Ein Grossteil der Cordillera Blanca wurde zum Nationalpark ernannt, dessen Natur vollständig unter Schutz stehen sollte. Nachdem wir den 4720 Meter hohen Pass Yanashalla überquert haben, trauen wir unseren Augen nicht. Was macht eine Mine im Naturschutzgebiet? Der düstere Anblick dieser enormen Kupfermine erschaudert uns, obschon die Riesenfahrzeuge auch imponieren. Ganze Berge werden hier ab- und umgebaut.

Die Weiterfahrt ist trüb, regnerisch. Bei einem Tunnel auf 4450 Meter Höhe rieselt Schnee auf die riesige Jesus-Statue. Waren wir nicht gerade noch im Hochsommer?
Auf dem Campingplatz Guadalupe in Caraz werden wir von Jaime aber sehr warmherzig empfangen. Nach einer Nacht auf angenehmen 3000 Metern sind wir dann auch wieder ausgeschlafen.

Auch Susi und Ruedi gesellen sich zur netten Overlander-Runde und so unternehmen wir anderntags einen Ausflug zu Viert. Mit dem Taxi geht’s auf ruppiger Serpentinen-Piste durch die landschaftlich eindrucksvolle Gegend zur Lagune Parón.

Die türkisfarbene Lagune, die von mehreren hohen Berggipfeln umgeben ist, hüllt sich bei unserer Ankunft im dicken Nebel. Doch wir haben Glück und die Wolken huschen hie und da davon, um uns den einen oder anderen imposanten Anblick zu ermöglichen.

Mit 6768 Meter ist der Huascarán der höchste Berg Perus. Wir dürfen ihn, als wir am nächsten Tag zu zwei weiteren Lagunen fahren, bestaunen.

Die Smaragd-Gletscher-Seen von Llaganuco sind einfach nur malerisch ins Tal eingebettet.

Noch schöner als die beiden Lagunen soll die Laguna 69 sein. Wegen des schlechten Wetters haben wir uns diese Wanderung eigentlich schon abgeschminkt. Doch heute scheint die Sonne und so entscheiden wir uns kurzerhand, doch aufzubrechen. Der Weg führt uns über moosige Wiesen, an weidenden Kühen vorbei, über Steine im Bachbett und auf schmalem Pfad in die Höhe. Wir geniessen die Ruhe, die frische Luft und den Ausblick über das Tal, die Berge und Wasserfälle. Die Regenzeit in den Anden macht uns dann doch einen Strich durch die Rechnung. Plötzlich ziehen dicke Nebelwolken und Regen auf. Vorsichtshalber kehren wir um, leider ohne die Laguna 69 zu Gesicht bekommen zu haben.

Passend zu der Cordillera Blanca verlässt man die Gegend auf spektakuläre Art und Weise. Wo einst die Eisenbahnlinie entlang verlief, führt heute eine schmale Asphaltstrasse durch den Cañon del Pato, die Entenschlucht. Die eindrucksvolle Fahrt durch den steinigen Canyon führt uns durch nicht weniger als 35 enge, unbeleuchtete Tunnels hindurch. Ein tolles Abenteuer!

Der Norden Perus ist weiterhin eine Wüstenlandschaft. Nebst Zuckerrohr und Baumwolle wird hier im heissen und trockenen Klima – zu unserem Erstaunen – Reis angebaut. Nach vielen Kilometern Hauptstrasse und einer Nacht bei einer Tankstelle zwischen den Grossstädten Chimbote und Trujillo nehmen wir den Abzweiger ans Meer. Im Küstenort Pimentel sehen wir den Fischern zu, wie sie seit jeher mit selbstgemachten Schilfbooten zur See gehen und ihren Fang gleich am Strand verkaufen.

Die Nacht dürfen wir auf dem Parkplatz eines Hostels verbringen. Anderntags lassen wir Rudolph stehen und fahren mit einem Klein-Bus, einem Colectivo, voller Einheimischer in die hektische Stadt Chiclayo. Wir wollen den Mercado Modelo besuchen. Ein riesiger Markt, wie es ihn in allen Städten gibt und wo man einfach alles findet.

Das Besondere hier ist der Mercado de Brujos. Auf dem Hexenmarkt bieten Schamanen noch die traditionelle Volksmedizin an. Für uns ein spannender Mix voller kurioser Wunder- und Heilmittel. Als Tourist will man uns den San Pedro-Kaktus oder das Urwald-Halluzinogen Ayahuasca anbieten, wovon wir aber getrost die Finger lassen wollen.

Zurück in Pimentel gibt es Chicharron de Pescado (Fischknusperli) und eine Tortilla-Spezialität aus Stachelrochen, bevor es weiter durch die Wüste geht. Bei Gonzalo, einem Künstler, in der Stadt Piura verbringen wir noch eine Nacht, dann gelangen wir über einen kleinen Grenzposten nach Ecuador.

Die Einfuhrbestimmungen nach Ecuador sind streng und der Zoll hat anscheinend ein neues Computer-Programm. Jedenfalls dauert es heute ungewöhnlich lange und wir können erst am späten Nachmittag weiterfahren. Mit dem Land verändert sich auch die Landschaft schlagartig. Auf einmal ist alles wunderbar grün und ein frischer Duft liegt in der Luft!
Die Strasse windet sich durch den feuchten Regenwald, zur beginnenden Dunkelheit gesellt sich der Nebel. Dummerweise stellen wir fest, dass alle Tankstellen, die unser Navi anzeigt, geschlossen sind, während sich der Tank dem Ende zuneigt. Im dunklen Nebelwald ohne Diesel – nicht gerade das Schönste. Doch wie immer gibt’s eine Rettung. Ein Lastwagen-Chauffeur schenkt uns fünf Liter Diesel. Mit einem Schlauch zieht er uns Diesel aus seinem Tank. Mehrmals bekommt er einen Schluck davon ab… doch Geld, nein Geld will er dafür bestimmt nicht. Schliesslich kostet die Gallone (3,78 Liter) Diesel in Ecuador gerade mal 1 US-Dollar.
Das war erstmals Ecuador – ein kurzer Schnupper-Aufenthalt. Eigentlich nur für die Visums-Verlängerung (und zum günstig Tanken ;), denn wir wollen nochmals ein paar Tage zurück nach Peru. Diesmal an die Nordküste, wo auf dem Campingplatz SwissWassi in Zorritos unsere bayrischen Freunde Anja und Tobi stehen. Das Besitzer-Ehepaar Melba, Peruanerin, und Jacques, aus der Schweizer Romandie, sind wahnsinnig nett und der Platz einfach paradiesisch. So stehen wir hier, direkt an einem kilometerlangen, völlig untouristischen Strand, pflücken Kokosnüsse direkt von der Palme und stürzen uns in die hohen Wellen.

Für Unterhaltung sorgt der typisch peruanische Nackthund namens Colosso, der statt eines Holz-Stöckchens gerne seiner Kokosnuss nachrennt und damit vor allem am Werfer Thomas Gefallen findet.

Wir machen noch einen Ausflug ins Surfer-Eldorado nach Lobitos und Máncora. Die Touri-Orte mögen uns aber nicht gleich überzeugen. Da geniessen wir lieber die Ruhe bei Melba und Jacques und die Gesellschaft von Anja und Tobi und anderen Campern. Auf dem Grill brutzelt ein leckerer Fisch, dazu schlürfen wir unseren letzten Pisco-Sour in Peru. Das Baden in den herrlich hohen Wellen – sozusagen das Tüpfchen auf dem „i“ – erklären wir offiziell zu unserem Weihnachtsgeschenk.

Feliz Navidad! – Frohe Weihnachten – Heiligabend verbringen wir in einer Peruanisch-Schweizerisch-Deutsch-Französischen-Runde mit Jacques, Melba und ihrem Bruder Dante und den anderen Camping-Gästen Nicolas und Sara, Maria und Peter sowie den Auswandern Herbert und Christiane. Jeder bringt was zu Essen mit und so gibt‘s ein reichliches Mahl. Darauf folgt „La hora loca“ (die verrückte Stunde), bei der ausgelassen getanzt und gefeiert wird, und um Mitternacht die Überraschung: Feuerwerk, heisse Schokolade und Panettone. Man wünscht sich schöne Weihnachten und umarmt sich, wie bei uns an Silvester. Das war unser ungewohntes, aber tolles Weihnachtsfest!

Am 26. Dezember fahren wir wieder nach Ecuador. Unser Ziel ist der Flughafen in Guayaquil, wo morgen mein Bruder Marco und seine Freundin Tabea landen werden. Die nächsten drei Wochen reisen wir zusammen. Besuch von Zuhause, wir freuen uns!

Staunen, Fliegen, Kiten – Der Süden Perus, von Puno nach Paracas

Auf nach Peru! Wir freuen uns auf das zweitgrösste Land Südamerikas, auf die Pazifikküste, leckeres Essen und natürlich auf das süffige Nationalgetränk. Der Cocktail Pisco Sour besteht aus Traubenschnaps, gemixt mit Limettensaft und Zuckersirup, frischem Eiweiss und ein paar Tropfen Angostura (Bitter). Das meistverkaufte Getränk ist aber das Inca Kola. Ein gelber, nach Gummibärchen schmeckender Trank, der Coca Cola in Sachen Süssigkeit übertrifft! Natürlich wollen wir die Spezialität Cuy (Meerschweinchen) probieren und dann gibt es noch die Anticuchos (Rinderherzen am Spiess) und an der Küste das Cebiche (roher in Limettensaft eingelegter Fisch). Ansonsten gibt es viel Huhn, Schwein, Reis, Mais und noch mehr Huhn. So verspeisen wir auch zum ersten Mittagessen in Peru ein halbes Hühnchen für knapp drei Franken. Dabei inklusive ist eine giftgrüne Suppe mit Hühnerfüssen. Noch etwas gewöhnungsbedürftig für uns Filet-verwöhnten Europäer…

Unsere Reise durch Peru beginnt mit einem gemütlichen Sonntag in den Gassen und am Hafen des Fischerortes Puno am Titicacasee.

Auf der Halbinsel Sillustani am Umayo-See stehen spezielle Ruinen. In den Chullpas, den Grabtürmen aus massiven Steinblöcken, begrub das kriegerische Volk der Colla ihren Adel. Später eroberten die Inka die Region und übernahmen den Begräbniskult. Nebst den bis zu zwölf Meter hohen Türmen fühlt man sich ziemlich klein. Imposante Riesen, aber ziemlich gruselig, denn die ranghohen Toten wurden hier zusammen mit Opfergaben, darunter auch Menschen, eingemauert.

Auf dem Weg nach Arequipa blitzt und donnert es. In den Anden beginnt die Regenzeit. Wir halten für ein Mittagessen vor einem einfachen Restaurant, wovor viele Lastwagen parkieren. Da gibt’s bestimmt gutes Essen. Tatsächlich, für unschlagbare zwei Franken bekommen wir eine riesige und reichhaltige Suppenschüssel mit Gersten, Gemüse, Kartoffeln und Fleisch aufgetischt. Wir sind schon mächtig satt, als der Hauptgang mit einer Portion Reis, Kartoffeln, Salat und Huhn folgt. Übersättigt plumpsen wir auf unsere Sitze und kurven weiter durch die Andenlandschaft.
Auf den Strassen Perus lernen wir Eines: Hupen! Gehupt wird für so ziemlich alles – Hallo, guten Tag! Die Ampel wird in ein paar Sekunden grün, fahr doch endlich! Achtung, ich überhole dich! Achtung, ich biege ab! Thomas schmunzelt nur und lässt sich nicht beirren. Ruhig kutschiert er durch den chaotischen Feierabendverkehr Arequipas, wo so manche Verkehrsregeln missachtet werden. Mitten in der Stadt erreichen wir den Stellplatz beim Hotel Las Mercedes. Gut, es ist ein Stadtcamping, aber irgendwie fühlen wir uns hinter den hohen Mauern etwas eingesperrt.

Arequipa wird nicht nur wegen seiner aus hellem Vulkangestein erbauten Gebäude „weisse Stadt“ genannt, sondern auch wegen der ursprünglich fast rein weissen Einwohnerschaft. Die Kolonialstadt ist voller architektonischer Schätze. Vor allem abends ist sie romantisch, wenn der Hauptplatz mit der grossen Kathedrale, dem Springbrunnen, den Parkbänken und Palmen in warmem Ton beleuchtet sind.

150 Kilometer nördlich von Arequipa sind die Hänge des Colca-Canyons mit Terrassenfeldern überzogen. Schon die Inka stellten fest, dass die Höhe und das Mikroklima der einzelnen Terrassenstufen eine wesentliche Rolle für den landwirtschaftlichen Anbau von Gemüse- und Getreidesorten spielen. Noch heute werden die Felder hier von Hand bewirtschaftet. Ein hartes Leben, aber irgendwie scheint die Welt in diesem Tal noch in Ordnung zu sein.

Der Cañon del Colca soll einer der tiefsten Schluchten der Welt sein, noch tiefer als der Grand Canyon in den USA, wobei die Hänge nicht gleich steil abfallen.

Die Schlucht ist Heimat vieler Vogel- und Kakteenarten. Nebst den grössten Kolibris der Welt…

…schweben die majestätischen Anden-Kondore über der 1200 Meter tiefen Schlucht und unseren Köpfen. Die Könige der Anden gehören mit einer Flügelspannweite von bis zu 3,5 Meter zu den grössten Raubvögeln der Welt. Gigantisch und einfach nur atemberaubend! Momentan leben rund 30 der Riesenvögel, die bis zu 70 Jahre alt werden, hier. Sie sind vom Aussterben bedroht, da sie erst mit zwölf Jahren geschlechtsreif werden und nur alle drei Jahre ein Ei legen.

Wir übernachten gleich beim Aussichtspunkt Cruz del Cóndor. Hier treffen wir Annika und Jonny aus Uster. Bald finden wir heraus, dass Jonny in der gleichen Firma wie mein Bruder arbeitet. Wie klein die Welt doch ist!

Bis nach Cusco sind es noch etwas mehr als 400 Kilometer. Ein Grossteil davon staubige Schotterpiste. Bei maximal 50 km/h erscheint uns die Strecke schier endlos. Heute übernachten wir mal wieder bei einer Tankstelle. Welch schöne Überraschung, die Schweizer Welle geht weiter! Mal keine Zürcher, sondern ein hübscher VW-Bulli mit Berner Kennzeichen und zwei flotten Insassen steht auf dem Platz.

Anderntags fahren wir zusammen mit Alex und Chrigu zu den Ruinen von Raqchi. Mehr als für die Ruinen macht uns das Quatschen und Lachen unter Schweizer Gleichgesinnten Freude.

Nach Cusco ist es nicht mehr weit. Wir wollen zum Supermarkt und freuen uns auf eine Dusche. Doch es kommt mal wieder alles anders als gedacht. Plötzlich meint Thomas: Oh oh! Was ist los? Der Keilriemenspanner ist kaputt, wodurch der Motor zu überhitzen droht und die Bremsen und die Lenkung nicht mehr richtig funktionieren. Gerade können wir den Hang noch runter rollen und uns auf den Kiesplatz nebst dem Bahngleis im Dorf Urcos stellen. Der Reiseführer meint, dass sich hierher nur selten Touristen verirren… Ha ha! Wirklich schön ist es nicht, aber wir sind froh, nicht irgendwo in der Pampa zu sein. Ruhe und Geduld ist mal wieder das Rezept. Die erste Suche nach einem Mechaniker gestaltet sich schwierig. Heute ist Fiesta, ein Inka-Fest zu Ehren des Wassers, und morgen ist Sonntag.
Bei den Bewohnern am Bahngleis fragen wir nach Wasser, da unser Tank absolut leer ist. In Urcos gibt es aber jetzt, am Ende der Trockenzeit, fast kein Wasser. Dennoch bekommen wir fünf Liter, um die wir sehr dankbar sind. Damit duschen wir beide und waschen noch das Geschirr ab. Ja, man braucht nicht viel!

Am Montag haben wir Glück. Wir finden mit Antonio einen Mech, der uns den Keilriemen und alle defekten Führungsrollen ausbaut. Er ruft uns gleich ein Taxi und so chauffiert uns bald darauf Mario nach Cusco. Für rund 40 Franken geht er mit uns während fünf Stunden auf Ersatzteil-Jagd. Immer wieder hüpft er aus dem Wagen und fragt sich durch die Ersatzteil-Strassen durch. Welch ein Glück. Die kleinen Läden hatten nichts, doch in der Mercedes Garage gibt es alle Teile! Die Suche hat hungrig gemacht. So gibt es in einem kleinen Restaurant am Strassenrand einen Trucha (Forelle) für Mario und Chicharrón (gebratene Schweinerippchen) für uns.
Anderntags baut uns Antonio die Teile ein und wir können nach Cusco weiterfahren. Cusco war für die Inka das Zentrum, der Nabel der Welt, von dem die vier Himmelsrichtungen ausgingen. 1532 fielen die Spanier ein und zerstörten viele Gebäude und Tempel. Doch einige massive Inka-Mauern stehen noch und zeugen von der monumentalen Inka-Architektur, bei der riesige Granitblöcke fugenlos zusammengefügt waren. Touristenattraktion ist der zwölfeckige Stein, der passgenau in die Mauer des ehemaligen Palastes des Inca Roca eingefügt ist. Bis heute eine technische Meisterleistung! Cusco ist zwar sehr touristisch, aber gefällt uns. Es herrscht eine gemütliche und romantische Atmosphäre und die Kopfsteinpflaster-Gassen erinnern uns ans schöne Dubrovnik in Kroatien.

Auf dem Camping Quinta Lala oberhalb Cuscos sind wir nicht alleine. Der Platz gehört zu den Overlander-Treffpunkten Südamerikas. Auf der grünen Wiese herrscht eine gemütliche Camper-Atmosphäre. Da sind Monika und Daniel, die Franzosen, die wir schon in Arequipa getroffen haben. Annika und Jonny sind auch hier und dann gibt es noch die Neuseeländische Familie mit ihren vier Kindern, die Holländer Els und Gerrit, der US-Amerikaner und Biologe Josh und ein paar weitere Amis. Später gesellen sich noch die Thurgauer Claudia und David und die Schwyzer Anita und Roger dazu.

Mit Claudia und David verstehen wir uns auf Anhieb und verbringen einen lustigen Abend mit Pisco Sour und Wodka-Orange in Cuscos Horror-Bar.

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Als die beiden noch Besuch von ihren Freunden Ilona und Philip bekommen, fahren wir zu sechst ins heilige Inka-Tal zum fröhlich bunten Sonntagsmarkt nach Pisac. Ein quirliger Markt und ein gemütlicher Nachmittag! Verpflegen tun wir uns mit Choclo (Maiskolben) mit einer scharfen Aji-Salsa und Käse. Dazu gibt es ein Glas Chicha morada, ein typisch peruanisches Getränk aus violettem Mais, und Qusqueña, Bier aus Cusco.

Doch Cusco ist natürlich vor allem für seine Riesen-Touri-Attraktion Machu Picchu bekannt. Wusstet ihr, dass der berühmte Hausberg mehr als 200 Kilometer von Cusco entfernt und 1000 Meter tiefer liegt? Wir sind überrascht! Durch das fruchtbare, heilige Tal und über einen 4300 Meter hohen Pass führt uns die Strasse in den tropischen Dschungel hinunter, wo Mandarinen, Bananen, Ananas und Kaffeebohnen gedeihen. Zum Machu Picchu Dorf, nach Aguas Calientes, fährt keine Strasse. Also lassen wir Rudolph in Santa Teresa auf dem Camping La Hacienda stehen. Von da nehmen wir ein Taxi nach Hidroélectrica und gehen zu Fuss die 12 Kilometer den Bahngleisen und dem Río Urubamba entlang nach Aguas Calientes. Die Wanderung durch den Bergurwald ist wahnsinnig schön, nur die vielen Moskitos sind etwas lästig.

In Aguas Calientes übernachten wir das erste Mal seit dem Start unserer Reise auswärts in einem Hotelzimmer. Der Wecker geht um Fünf. Beim Busbahnhof stehen die Touristen bereits Schlange. Kaum vorstellbar, wie es hier in der Hochsaison zu und her geht. Aber ja, im Europapark stehen wir länger an als hier und schliesslich ist es halt das ultimative Touristen-Magnet Südamerikas.

Lange haben wir überlegt, ob wir die Mega-Touri-Attraktion überhaupt besuchen wollen. Als ich die legendäre Inka-Stadt das erste Mal erblicke, schiesst mir eine Träne ins Auge und ich weiss, dass es jeden Rappen und den Touri-Trubel Wert ist! Einfach ein fantastisches Erlebnis, an diesem geheimnisvollen Ort zu sein. Dazu haben wir heute grosses Glück! Nur kurz ist noch eine Schleierwolke unterhalb des Wayna-Picchus zu sehen, dann ist die Sicht auf die legendäre Felsenstadt völlig klar.

Mehr als die einzelnen Steine beeindruckt uns die spektakuläre Lage. Hoch oben auf dem Bergrücken thronend und an drei Seiten von schroffen und steilen Felsen umgeben. Eine perfekte Festung mit Überblick auf das gesamte Tal. Bis heute rätseln Archäologen und Wissenschaftler über die Bedeutung der Stadt. Man kann also seiner Fantasie freien Lauf lassen und vielleicht ist es genau das Geheimnis, was Machu Picchu so mystisch macht.

Wir wandern zum Intipunku-Sonnentor, von wo man einen tollen Ausblick hat. Dann geht es auf die andere Seite zur Inka-Brücke. Am steilen Hang schmiegt sich ein Weg zur Brücke und zu einem der wenigen Zugänge zur Stadt. Meine Knie bibbern und die letzten Meter bis zur Brücke muss Thomas alleine gehen. Auf der anderen Seite klammert sich nur ein ganz schmaler Pfad an den Klippen, die senkrecht ins Tal stürzen. Kaum vorstellbar, man müsste über diesen Weg balancieren… Die Inka mussten also schwindelfrei sein.

Als es aber immer heisser wird, entscheiden wir uns, den Bus runter ins Dorf zu nehmen. Von Aguas Calientes wandern wir wieder zurück nach Hidroélectrica. Unterwegs treffen wir auf den Holländer Vincent, den wir in Cochabamba auf dem Camping Las Lilas kennengelernt haben. Später kommen uns noch Claudia, David, Ilona und Philip entgegen.

In Urubamba verköstigen wir in der Gartenbeiz Quinta El Carmen das Cuy Chactado, gebratenes Meerschweinchen. Die Haut ist knusprig und gut gewürzt und das Fleisch super zart. Alles gut, bis sich der Kopf einschaltet und einem den Appetit nimmt. Der Koch gibt sich Mühe und zeigt uns seine Meerschweinchen-Zucht im Hinterzimmer seines Hauses. Cuyes kommen in Andenregionen bis zu einer Höhe von 4200 Meter vor und werden in Peru seit rund 5000 Jahren gezüchtet. Sie sind grösser als ihre europäischen Artgenossen, die im 16. Jahrhundert von Südamerika nach Europa gebracht wurden.

Wir übernachten auf dem Parkplatz der Salz-Terrassen von Maras und nutzen die frühen Morgenstunden, um das weiss-strahlende Geflecht aus Kanälen und hunderten von Salzpfannen in Ruhe zu bewundern. Seit der Inka-Zeit wird hier Salz von Hand gewonnen. Salziges Quellwasser läuft über ein ausgeklügeltes Kanalsystem in die Becken, wo das Wasser in der Sonne verdunstet. Das weisse Gold der Anden glitzert in der Sonne. Ein geniales Kunstwerk! Wir kaufen zwei Kilo, welche uns eine ganze Weile versorgen werden.

Schon ist es wieder Sonntag und damit Markttag. Auf dem Hauptplatz in Chinchero werden nebst Textilien hauptsächlich Früchte und Gemüse angeboten.

Auf dem Camping Quinta Lala in Cusco erfreuen sich Els und Gerrit, die beiden Holländer aus Arnheim, über unsere Rückkehr. Es dauert nicht lange und wir sitzen gemütlich mit Chips und Bier in ihrer Stube im typisch holländischen Anhänger.
Dann steht mal wieder eine Werkstattbesuch an. Es wird endlich Zeit für neue Stossdämpfer. Bei der Gelegenheit lassen wir noch einen Service machen. Als wir gelangweilt so dasitzen, fährt ein anderer Sprinter auf den Platz, mit Zürcher Nummer! Es sind Jan und Marita aus Rüti. Wie lustig!

Frisch geölt und mit neuen Stossdämpfern fahren wir weiter. 600 Kilometer durch die trockene und einsame Andenlandschaft, über drei hohe Pässe, durch ein Nationalreservat für Vicuñas und vorbei an den höchsten Sanddünen der Welt, bis wir dann steil herunter auf 620 Meter sinken. Nach zwei Monaten in der Höhe sind wir das erste Mal wieder auf tiefem Boden. Die Temperaturen sind heiss.

Adrenalin gleich nach dem Frühstück! Wir steigen in eine 4er Maschine ein. Pilot, Co-Pilot und auf der kleinen Rückbank wir zwei. Mit einem mulmigen Gefühl, aber voller Vorfreude heben wir ab und bestaunen von oben die weltberühmten Nazca-Linien. Im Wüstenboden sind aus der Luft geheimnisvolle Zeichnungen zu sehen. Über 800 Linien, 300 geometrische Figuren und rund 70 Tier- und Pflanzen-Zeichnungen wurden vor rund 2000 Jahren in den ausgetrockneten Wüstenboden eingeritzt und sind bis heute erkennbar. Doch wer hat das getan? Zu welchem Zweck?
Fantasievolle Deutungsversuche gibt es genügend. Maria Reiche, eine deutsche Mathematikerin und langjährige Erforscherin der Zeichnungen, stellte die Theorie auf, dass sie von Paracas- und Nazcakulturen angelegt wurden und es sich um einen astronomischen Kalender handelt. Viele Linien sind durch Auto- und Fusspuren beschädigt. Während wir auf den Boden starren, schwankt das kleine Flugzeug ganz schön.

Wir fahren weiter durch die Wüste. Halten zweimal an, als wir Fahrradfahrern begegnen. Einmal ein 70-jähriges Paar aus Frankreich, einmal ein junger Japaner. Wir bewundern die Art zu Reisen und bieten ihnen immer gerne Wasser an, vor allem hier in der Wüste ein sehr willkommenes Geschenk.
Die Stadt Ica und ihre Umgebung sind bekannt für die Herstellung von Wein, Pisco, grünen Spargeln und Datteln.

Über einsame Sandwege und eine Dünenlandschaft geht es in Richtung Küste. Seit Monaten kommen wir wieder ans Meer und freuen uns riesig! Wir tuckern durch das Meeresschutzgebiet, das für seine reichhaltige Tierwelt bekannt ist, bis wir an dem Strand ankommen, der uns nicht mehr so schnell loslässt.

Schon eine ganze Weile hegen wir einen Traum: wir wollen Kiten lernen. Die Bucht von Paracas ist dafür der perfekte Ort und wird daher bald zu unserem neuen Home-sweet-Home! Ein Päus“li“ vom Reisen. Als wir auf dem Platz ankommen, wollen die Nürnberger Anja und Tobi nach einer Woche Kiten weiterfahren. Sie haben schon alles gereinigt und gepackt und fahren tatsächlich los. Haben die wirklich gedacht, dass man so einfach von diesem Traum-Kite-Spot loskommt? Nein natürlich nicht, denn sie kommen zurück – und bleiben glatt noch einen Monat!

Im Paradies zwischen Flamingos, Pelikanen und Seehunden versuchen wir unsere ersten Wasserstarts und Wendemanöver. Der routinierte Tagesablauf lautet: Frühstücken, auf Wind warten, sich über Wind freuen und Kiten, heiss Duschen, deliziös Essen und ein Bierchen, Pisco Sour oder Rum Cola schlürfen. So verbringen wir quasi unser ganzes „Jahres-Ferienkontingent“ nebst unseren neuen Bayrischen Kite-Freunden. Der Abschied fällt entsprechend schwer. Keiner von uns ist jemals so lange an einem Ort in den „Ferien“ gewesen und wir alle haben noch nie so viel Zeit mit anderen Reisenden verbracht. Wir trösten uns mit einer Verlängerung, nochmals zwei Wochen im Kite-Paradies.

Ach ja, noch einen Ausflug haben wir gemacht: eine Bootstour zu den Islas Ballestas. Wegen des kalten, aber nährstoffreichen Wassers des Pazifik-Humboldtstroms ist die peruanische Küste reich an Meerestieren. Die Inseln vor Paracas beherbergen riesige Kolonien von Seevögeln, darunter Pelikane, Kormorane und Tölpel. Die Vögel produzieren den Guano-Mist, der wertvollste natürliche Dünger der Welt. Wir kreuzen um die natürlichen Bögen und Höhlen der zerklüften Inseln. Schauen den Seelöwen zu, wie sie sich faul auf den Felsen räkeln und entdecken ein paar Humboldt-Pinguine.

Das Reisen geht weiter. Nächstes Ziel ist die Grossstadt Lima. Irgendwie freuen wir uns so gar nicht auf das Getümmel, wo wir doch hier mit Vogelgezwitscher erwachen und nachts nichts anderes als die Seelöwen jaulen hören. Wir werden unser Kite-Paradies und die lieben Menschen, die wir hier kennenlernen durften, vermissen – Anja & Tobi, Catia & William, Eila, Sheyly & Matthi, Julian, Chris & Claire – thank you for this crazy good time!!!