Die Reise beginnt

Auf der Grimaldi-Agentur erhalten wir die Info, dass wir unseren Rudolph auch ohne Hilfe eines kostspieligen Zollagenten aus dem Hafen bekommen. Also machen wir uns auf direktem Weg zum Puerto. Nach rund vier hitzigen Stunden, unzähligen Büros, Papieren, Stempeln und Diskussionen mit den Zollbeamten, die unsere Kfz-Versicherung anfänglich nicht als uruguayische akzeptieren wollen, ist es dann soweit: ein junger Mann zeigt uns vom letzten Kontrollhäuschen den Weg zu Rudolph. Und da steht er – völlig unversehrt! Die Erleichterung ist riesig und der Stress der letzten Stunden völlig vergessen. Überglücklich fahren wir die ersten Meter auf südamerikanischem Grund aus dem Hafen.

Zurück im Hostel, wo wir nach über drei Wochen absolute Langzeitgäste sind, sagen wir dem lieben Personal Adiós. Einer nach dem Anderen bestaunt aufgeregt unseren Camper. Wir hatten im El Viajero wirklich eine tolle Zeit!

Wir fahren zu einem rund 20 Kilometer entfernten Stellplatz. Ländlich gelegen wohnt hier Emmanuel mit seiner Familie und drei Schäferhunden. Anderntags können wir problemlos Wasser und Gas auffüllen und sind damit ready für den Start ins Abenteuer.

Der Küste entlang – wo sich ein schöner Strand an den nächsten reiht – geht es nun gemütlich in Richtung brasilianische Grenze.

Rudolph’s Ankunft in Montevideo

Sehnsüchtig erwarten wir die Ankunft von Rudolph. Davor gibt es aber noch einiges zu tun. Wir brauchen eine örtliche Kfz-Versicherung. Da wir wegen der Schule werktags nicht selbst nach Buenos Aires zum Versicherungsbüro reisen können, suchen wir nach Alternativen. Wir kontaktieren schliesslich ein in Argentinien lebendes deutsches Ehepaar, welches ausländische Fahrzeuge in ihrer Flotte aufnimmt. Einige Tage später haben wir den Beleg und die Quittung für die Consur-Versicherung. Damit sind wir in Argentinien und den anliegenden Länder für die nächsten vier Monate versichert.

Wir suchen das Büro der Migración in der Altstadt Montevideo’s auf, wo wir ein „Certificado de Llegada“ erhalten. Anschliessend geht es zum Grimaldi Agenten. Wir erhalten mit dem „Bill of Lading“ ein weiteres Dokument und die Auskunft, dass das Schiff erst am 25. Februar ankäme. Wir sollen am 26. Februar wieder ins Büro kommen. Ein paar Tage später folgt eine Mail: das Schiff kommt doch planmässig am 19. Februar an und wir dürfen am Montag, 22. Februar unsern Rudolph auslösen.

Am Freitag, 19. Februar gehen wir gleich nach der Schule aufgeregt an den Hafen. Wir wollen die Einfahrt nicht verpassen. Und dann, um 5 Uhr ist es soweit: die Grande Amburgo fährt in den Hafen von Montevideo ein.

Montevideo

Wir fliegen in den Sommer. Vom 29. Januar bis 22. Februar 2016 ist das Hostel El Viajero Downtown in Montevideo unser Zuhause. Wir fahren zum ersten Mal in Südamerika Bus. Rumplig und mit hohem Tempo fahren wir vom Flughafen rund 20 Kilometer ins Zentrum. Die Fahrt kostet pro Person 52 Pesos, was knapp 2 Franken entspricht. Nebst unzähligen Kilometern, welche wir in den nächsten Tagen mit Flipflops über die Strassen von Montevideo schlendern, wird der Bus unser Verkehrsmittel Nummer 1 sein. Dabei lernen wir einige Besonderheiten kennen: Bushaltestellen sind meist durch eine wartende Personengruppe erkennbar. Um den gewünschten Bus zu stoppen, streckt man den Arm zur Strasse aus. Das Ticket löst man beim Einsteigen, oft beim bereits wieder fahrenden Chauffeur. An heissen Tagen bleiben die Fahrertüren zur Kühlung offen. Beim Aussteigen heisst es schnell zu sein, da der Bus oft nur für einen Rollstopp hält.

Die Hauptstadt beherbergt rund die Hälfte der 3 Millionen Einwohner Uruguays. Auf den ersten Blick fallen uns die vielen hohen und grauen Blöcke, heruntergekommenen Strassen und den für die Hafenstadt typischen Wind auf. Die Stadt ist durch quadratisch angeordnete Strassenblocks übersichtlich. Die Einheimischen begegnen uns zurückhaltend, aber durchaus freundlich und hilfsbereit. Montevideo hat seine besten Jahre hinter sich und zählt doch zu den Städten mit der höchsten Lebensqualität Südamerikas. Es ist für uns eine Stadt voller Gegensätze. Nebst verlassenen Ruinen stehen farbige Häuser und Prunkbauten. Geschäftsleute gehen an den vielen Obdachlosen der Stadt vorbei. Verrostete Autos und Kutschenwagen fahren nebst Luxusautos. Reichtum nebst Elend, Moderne nebst Tradition. Schliesslich ist es für uns dann doch die Ruhe und gleichzeitige Belebtheit und Fröhlichkeit, welche Montevideo liebenswert macht.

No hablamos Español – um mehr als nur Hola sagen zu können, besuchen wir einen Intensiv-Kurs an der Academia Uruguay. Die Schule befindet sich in der autofreien Altstadt, la Ciudad Vieja. Auf dem Weg zur Schule kommen wir täglich am touristischen Plaza Independencia und an Marktständen vorbei. Der Unterricht dauert von 9:30 bis 13:30. Wir haben mit Maria José eine tolle und höchst geduldige Lehrerin und sind maximal zu viert im Unterricht. Am ersten Schultag lernen wir Fabienne, eine junge Schweizerin, kennen. Die Nachmittage verbringen wir oft zu dritt am Strand Pocitos.

Es ist Carnevals-Zeit („Llamadas“ heisst der Carneval in Uruguay). Der Umzug der Llamadas mit Candombe-Trommlern, Fahnenträgern und leicht bekleideten Tänzerinnen findet in der Strasse Isla de Flores, im afro-amerikanischen Quartier Barrio Sur, statt. Das Barrio gilt als Gebutsort des uruguayischen Carnevals. Auf der Strasse sei es zu gefährlich, sagt man uns. Also nutzen wir die Möglichkeit, das bunte und fröhliche Treiben vom Balkon einer im Kolonialstil gebauten Privatwohnung zu bestaunen.

Sonntags findet der beliebte Markt Tristan Narvaja statt. Auf den uruguayischen Ferias findet man so ziemlich alles: Lebensmittel, Kleider, Kosmetika, Kunstwerk, Antiquitäten, Schmuck, Früchte, Gemüse, Fleisch, Autoersatzteile, Medikament, jede Menge Ramsch und Haustiere. Von Mäusen und Hamstern, Hasen und Meerschweinchen über Fische, Vögel, Schlangen, Spinnen bis zu Hühnern, Gänsen, Katzen und Hunde findet sich hier alles.

In den Supermärkten bekommt man so ziemlich alles, wobei die Preise auf den Ferias günstiger sind. In den vielen Parrilladas (Grillrestaurants) wird Asado (Rindfleisch vom Holzkohlengrill) und diverses anderes Fleisch angeboten. Nebst europäischen Gerichten wie Pizza und Pasta werden viele Fast-Food-Gericht serviert: Milanese (ein paniertes Plätzchen, meist mit Käse überbacken), Chivito (Asado-Fleisch in einem pampigen Hamburgerbrötchen mit Salat, Ei, Schinken und Speck), Hamburgesa, Franfurters (Hot-Dogs) und dazu Papa Fritas (Pommes). Uns schmecken vor allem die Empanadas (gefüllte Teigtaschen). Die Besten erhält man am Mercado del Puerto. Getrunken wird nebst Wein vor allem Bier, das man in Literflaschen erhält. Den Einheimischen begegnet man kaum ohne Teebecher und Thermoskanne. Anstatt Kaffee trinken sie gerne Yerba mate, einen bitteren Tee, der schon von den Ureinwohnern getrunken wurde.