Entspannung in Tolantongo, Stille in der Wüste und Abenteuer im Kupfercanyon – Méxicos Norden

Die Grutas de Tolangtongo, die Thermalbäder 180 Kilometer nördlich von Mexiko City, sind ein absoluter Traum! Inmitten einer Kakteen-Landschaft entspringen die Quellen in einer tiefen Schlucht und beliefern Höhlen, Flüsse und Becken mit heissem Wasser.

Das Thermalwasser fliesst durch einen natürlichen Tunnel in einem Felsen, stürzt in eine wunderschöne Kalksteinhöhle herunter und mündet in einen Fluss.

Der Fluss ist so wunderschön türkis, wie wir es bisher nur von eiskalten Gletscherseen kennen.

Relaxt fahren wir weiter nach Westen und gelangen ins koloniale Kernland Mexikos. Im charmanten Kolonialstädtchen San Miguel de Allende, wo einst Maultierkarawanen mit Silber und Gold durchkamen, verbringen wir ein paar gemütliche Stunden bei herrlichen Frühlingstemperaturen.

In der Stadt Dolores Hidalgo wollen wir uns über Nacht auf den Dorfplatz stellen. Da dort aber ein Motorradfest stattfindet und es bereits dunkel wird, fragen wir die lokale Polizei um einen sicheren Übernachtungsplatz. Schliesslich landen wir auf dem Parkplatz eines Auditoriums. Es wird eine kalte Nacht, bei der feine Hagelkörner auf Rudolphs Dach rieseln. Anderntags ist in den Zeitungen zu lesen, dass ein aussergewöhlicher Schneesturm von den USA in den Norden Mexikos einbrach.

Guanajuato, die nächste Stadt unserer Route, gefällt uns noch etwas besser als San Miguel. In dieser einstigen Minen-Stadt steigen bunte Häuser und extrem viele prunke Kolonialbauten aus einem Talkessel die Hügel empor. Um diese schwierige Topografie zu kompensieren, verläuft der Verkehr im Stadtzentrum unterirdisch. Uns gefällt die autofreie Altstadt mit den vielen schmalen Gassen, romantischen Plätzen und einer grossen, bunten Markthalle.

Dann liegen lange Distanzen durch eine schier endlose Wüstenlandschaft Nordmexikos vor uns. Während die Luft im Sommer hier kochen muss, ist sie jetzt trocken und kühl.

Nach einem langen Fahrtag gelangen wir gegen Abend in die Zona del Silcenio. Um die Zone der Stille inmitten der Wüste Chihuahuas ranken sich zahlreiche Mythen und Legenden über UFO-Sichtungen und andere Phänomene und energetische Anomalien. Tatsächlich befindet sich die Zone auf dem geografisch selben Breitengrad wie das ebenso rätselhafte Bermuda-Dreieck und die Pyramiden von Gizeh. Die Gegend weist ein starker Magnetismus auf, wodurch hier jährlich Hunderte Meteoriten niedergehen. Gleich ob Mythos oder Realität, die spektakulären Meldungen machen die Gegend geheimnisvoll und letztendlich für den Tourismus interessant.

In der Zone der Stille befindet sich das Biosphären-Reservat Mapimí. Es beheimatet seltene Pflanzenarten und Wüstentiere und ist vor allem ein Naturschutzgebiet für die wegen Wildtierhandels vom Aussterben bedrohte Wüstenschildkröte. Am Rande des Reservats leben ein Dutzend Erwachsene mit ein paar Kindern weitgehend selbstversorgend. Sergio ist einer davon. Enthusiastisch und humorvoll führt er uns durch ein kleines Museum. Die grössten fossilen Relikte und andere Funde befänden sich in Mexiko City oder in Museen Europas, erklärt er uns.

Nach einer wirklich stillen Nacht, bei der wohl nur ein paar Hasen und sonstige Wüstentiere lautlos um Rudolph schlichen, erwachen wir mit den ersten Sonnenstrahlen. Da noch viele Kilometer vor uns liegen, klopfen wir schon bald an Sergios Türe, um zu bezahlen und uns zu verabschieden. Noch vor einem Kaffee? Nein, das geht natürlich nicht. So sitzen wir wenig später in einer dunklen, aber warmen und gemütlichen Küche und beobachten, wie seine Mutter am offenen Feuer in der Ecke unser Frühstück zubereitet. Wir kommen in den Genuss der besten Tamales, die wir je hatten. Die in einem Maisblatt eingehüllten Maisteigtaschen sind gefüllt mit Fleisch und Käse. Die Stimmung ist fröhlich. Dass man sich hier über eine Unterhaltung mit Auswärtigen freut, ist spürbar. Wir sollen doch zu ihnen ziehen, meint Sergio scherzhaft. Zum Abschied schenkt er uns einen wunderschönen Edelstein aus der Gegend. Doch damit nicht genug. Kurz bevor wir dann doch weiterfahren, überreicht er uns stolz einen selbstgemachten Pavasaurier. Unser neues Haustier aus Pappe, halb Pavo, d.h. Truthahn, halb Dinosaurier. Als wären wir die besten Freunde, gibt es eine feste Umarmung à la Méxicano, bei der man sich so drückt, dass sich die Herzen berühren. Überwältigt von dieser Gastfreundschaft und tief berührt verlassen wir diesen speziellen Ort, der für uns ein grossartiges Highlight geworden ist.

Viele Kilometer weiter nördlich kommen wir in die Wildwest-Stadt Chihuahua. Von hier wären es nur noch weitere 250 Kilometer bis nach Texas. Doch für uns ist hier der nördlichste Punkt unserer Reise erreicht. Von Chihuahua wissen wir nicht viel, nur das berühmteste Einwohner Francisco „Pancho Villa“ war, dessen Namen man in der Schweiz auf mexikanischen Produkten wie Tortilla-Chips und Fajita-Sets findet. Er war ein einflussreicher Führer und Held in der mexikanischen Revolution von 1910 bis 1920.

Wir fahren weiter westwärts und kommen in Cuauhtémoc ins Gebiet der Mennoniten, die 1921 auf Einladung des damaligen Präsidenten Obregón hierher umsiedelten. Die Freikirchler, die einst von Preussen über Russland nach Kanada flohen, waren in Kanada mit dem Staat in Konflikt gekommen, weil die Männer im Ersten Weltkrieg den Wehrdienst verweigerten. Auch die mexikanischen Mennoniten betreiben viele Käsereien, wobei wir leider keinen so guten Käse finden, wie damals bei den Kolonien in Paraguay.

Das örtliche Museum erzählt uns viel über die Geschichte, den Glauben und die Kultur der blonden und hellhäutigen Mennoniten, die sich deutlich von ihren mexikanischen Nachbarn abheben. Die Männer tragen Latzhosen und die Frauen dunkle Röcke und Kopftücher. Sie sprechen den friesischen Dialekt ihrer Vorväter aus Deutschland. Anders als bei den Amisch ist ihnen die moderne Technik nicht fremd, aber ihre Lebensweise bleibt traditionell. Die Holzhäuser und Scheunen geben der Gegend einen europäischen Charakter.

In den Bergen der Sierra Madre Occidental befindet sich das Dorf Creel und in dessen Nähe der Bergsee Lago Arareco, wo wir nach einem Spaziergang durch den Kiefernwald den Abend am wärmenden Lagerfeuer und mit drei Strassenhunden verbringen.

Creel ist das Tor zu den Barrancas del Cobre, dem Kupfercanyon, ein Schluchtensystem der Sierra Tarahumara. Von Chihuahua fährt der berühmte Zug El Chepe 670 Kilometer durch die wildromantische Gegend bis an die Pazifikküste herunter. Der Bau dauerte fast ein Jahrhundert. Mit 86 Tunnels und 37 Brücken zählt die Strecke zu den grössten Ingenieurleistungen der Welt. Nicht mit El Chepe, sondern mit Rudolph, freuen wir uns auf eine spektakuläre Strecke, werden aber erstmals enttäuscht. Statt einer Piste führt eine Asphaltstrasse durch die Wälder und über die Bahngleise.

Noch ist kein Abenteuer in Sicht. Dies ändert sich aber, als wir nach rund 100 Kilometern die letzten 20 die Schlucht nach Urique herunterfahren. Nebst der schmalen Schotterstrasse fällt der Hang steil ab. Der bissige, uns mittlerweile aber auch so vertraute Feinstaub-Geruch steigt uns in die Nase. Ja, so haben wir uns das vorgestellt 🙂

Die Strecke von Urique nach Los Mochis am Pazifik wäre dann vermutlich noch abenteuerlicher. Da uns aber ein Freund, der die Strecke vor wenigen Wochen mit dem Motorrad gefahren ist, davon abrät, entschliessen wir uns, zurück an den Lago Arareco zu fahren. Nochmals übernachten wir in der kalten Höhe. Dann steht uns eine lange Strecke bevor, die nochmals alles zu bieten hat. Viele Kurven, Schlaglöcher, Steinschläge und Kühe und Schweine inmitten der Strasse. Nach 736 Kilometer und einem ordentlich langen Fahrtag wird es schon um halb Sechs dunkel und so fahren wir die nächste Tankstelle an.

Geschafft! Anderntags geht’s mit der Autofähre auf die Halbinsel Baja California, wo wir die letzten Wochen unserer Reise mit Kitesurfen verbringen wollen 🙂

 

3 Gedanken zu „Entspannung in Tolantongo, Stille in der Wüste und Abenteuer im Kupfercanyon – Méxicos Norden

  1. Lieve Miriam en Thomas, nu gaat jullie prachtige reis op zijn eind komen… Jammer genoeg.
    Wat mooi om al jullie belevenissen te lezen en te zien op prachtige foto’s..
    Geniet nog maar extra van jullie laatste weken… Fijn jullie gauw te zien xx

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  2. Meine Lieben,
    danke vielmal für diesen schönen Bericht.Wir freuen uns euch zu sehen.
    Wir wünschen noch viel vergnügen und ganz gute Heimreise!
    Bis bald liebe grüsse Sonja+ Hausi

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