Ein voll beladener Touri-Jeep bringt uns ins Valle del Cocora. Es weht ein frischer Wind, der herrliche Duft nach Eukalyptusbäumen steigt uns in die Nase. In diesem idyllischen Tal werden die Kühe noch auf der Weide und von Hand gemolken. Einmal in Cocora angekommen, führt uns ein Wanderpfad durch einen satt-grünen Nebelwald. In einem kleinen Naturreservat gibt es Kolibris zu sehen und auch sonst entdecken wir den einen oder anderen Vogel. Doch das wahrhaft grosse Highlight kommt zum Schluss: die grössten Palmen der Welt, bis zu 60 Meter hohe Wachspalmen.
Zurück im Dorf Salento schmeckt das Glace nach einer solchen Wanderung natürlich noch viel, viel besser.
In Kolumbien wimmelt es von gut erhaltenen Kolonialdörfern voller spanischer Architektur. Auch in Salento findet man historische Gassen, bunte Häuser und jede Menge Touristen. Wir dürfen kostenlos beim Restaurant Meraki stehen, dessen Besitzer auch gerade einen Sprinter zu einem Camper umbaut.
Denkt man an Kolumbien, so kommt einem der Kaffee in den Sinn. Wobei dieser hier für den europäischen Geschmack bitter schmeckt und vielleicht deswegen mit sehr viel Rohrzucker gesüsst wird. Der Espresso heisst Tinto. Café Americano ist ein Tinto mit Wasser verdünnt. Wirklich guten Kaffee zu finden, ist hier keine Leichtigkeit, denn die guten Bohnen sind vorwiegend für den Export gedacht. Die verdorbenen Böhnchen gelangen übrigens in Nestles Instantkaffee. Dies und noch viel mehr Spannendes rund um die grosse Wissenschaft des Kaffees erfahren wir auf einer tollen Tour duch die Café-Hacienda Guayabal. Mit pinkem Sombrero und Erntekorb bestückt dürfen wir selbst Kaffee pflücken.
Hoch über der Grossstadt Medellín finden wir im Vorort Santa Elena einen ruhigen Campingplatz. Wir erfreuen uns der Waschmaschine und Küche. So gibt es wieder einmal eine heisse Gulaschsuppe und ein feiner Butterzopf. Jonas und Laura mit ihrem kleinen Sohn Lukas, die wir im Norden Ecuadors kennengelernt haben, sind auch hier und bald gesellen sich Erika und Ernst zur Schweizer Runde dazu.
Einst lag Medellín fest in der Hand des berüchtigten Drogenbosses und Kartell-Anführers Pablo Escobar. Bis in die 90er Jahre galt die Stadt als einer der gewalttätigsten Orte der Welt. Heute gilt sie als sicher, wobei die Kolumbianer verständlicherweise schlecht auf Esocbar anzusprechen sind. Sie machen ihn für das schlechte Image Kolumbiens verantwortlich. Obschon heute Frieden herrscht, hat der Bürgerkrieg des letzten halben Jahrhunderts seine Spuren hinterlassen. Millionen sind dem Krieg auf dem Land entflohen und in den Slums der Metropolen gelandet. Wir lernen Medellín als Stadt voller Kontraste kennen. Eine moderne Seilbahn bringt uns runter ins Tal. Wir schweben über die Armenviertel an den Hängen, wo sich unverputzte Backsteinhütten mit Wellblechdächern aneinanderdrücken. Auch die ultra-moderne Metro steht im Gegensatz zu dem chaotischen Strassenbild der zweitgrössten Stadt Kolumbiens. Über einen Rummelmarkt finden wir den Weg zum Hauptplatz.
Hier stehen mehrere voluminöse, bronzene Figuren des kolumbianischen Künstlers Ferdinand Botero. Daran schliesst eine Fussgängerboulevard mit modernen Einkaufszentren an. Ob es an den allgegenwärtig aufdringlichen Strassenverkäufern, den schnorrenden Obdachlosen oder den vielen drogenabhängigen Menschen liegt… Jedenfalls werden wir hier im Zentrum nicht so richtig warm mit dieser Stadt.
Etwas ausserhalb, im Barrio Comuna 13, einst das ärmste Viertel der Stadt, mag uns Medellín dann doch noch von einer anderen Seite beeindrucken. Hier führen mehrere Rolltreppen den Hang empor. Die grauen Wände sind bunt besprüht und aus den Häusern ertönt friedlicher Hiphop. Vielleicht sind es genau solch kreative Projekte, die Medellín zu einer besseren Zukunft verhelfen.
Die Metro bringt uns zurück ins Zentrum, wo wir den Tag im botanischen Garten ausklingen lassen.
Unweit der Stadt befindet sich der Piedra del Peñol, ein Millionen alter, riesiger Granitstein. Heute Sonntag herrscht Hochbetrieb. Während Ernst unsere Fahrzeuge bewacht, steigen wir mit Erika im Zickzack die fast 700 Treppenstufen den Hinkelstein empor. Belohnt werden wir mit einem herrlichen Panoramablick. Die Fjord-Landschaft entstand in den 70er-Jahren, als das Gebiet für den Bau eines Staudammes geflutet wurde.
Zwischen zwei Kordilleren fliesst unten im Tal der Río Claro. Auf der Wiese des Campings sind wir die einzigen Gäste und haben richtig viel Platz.
Wie der Name bereits verrät, ist der Río Claro ein klarer Fluss. Wegen starker Regenfälle hat er seine Farbe allerdings gerade von Türkis zu Braun gewechselt. Das soll dem Spass aber nichts abtun. Zusammen mit Ernst mieten wir uns Reifenschläuche, womit wir durch den Regenwald, an tropischen Vögeln vorbei und durch tropfende Höhlen den Fluss runter rauschen.
In Bogotá, der Hauptstadt Kolumbiens, werden wir von den Mitarbeitern und Chefs der Mercedes-Garage La Floresta grossartig empfangen. So ein Schweizer-Zweier-Sprinter-Gespann fährt hier nicht alle Tage ein. Wir werden sogar gefragt, ob wir denn Diplomaten seien. Jedenfalls fühlen wir uns und vor allem Rudolph in guten Händen. Es wird ein teurer Spass, denn Rudolph braucht neue Bremsen, Stossdämpfer und eine komplette Blinkanlage. Immerhin dürfen wir die nächsten Nächte auf dem Garagengelände stehen, was in bisherigen Garagen meist nicht erlaubt war.
Mein zweiter Geburtstag auf Reisen wird goldig, denn wir besuchen das Museo del Oro. Das weltweit grösste Goldmuseum macht uns eindrücklich klar, wie weit entwickelt die vorspanischen Kulturen Kolumbiens, ja ganz Südamerikas, waren. Mehrere Zehntausend Ausstellungsstücke überfluten unsere Augen. Tausend Jahre alte Schmuckstücke, die mit moderner Goldschmiedekunst noch lange mithalten können. Ein besonderes Exemplar ist ein Miniatur-Floss, das den König des Muisca-Volkes mit seinen Gefolgsleuten darstellt. Es besteht aus nichts als purem Gold und soll als Beweis dafür dienen, dass es den El Dorado, den vergoldeten Mann, tatsächlich gab. Der Mythos des El Dorado war es denn auch, der die Kolonisten auf der Goldsucherei durch Südamerika trieb.
Nebst dem Goldmuseum beherbergt Bogotás historischer Kern die schmucke Altstadt La Candeleria. Ein gepflegter, ruhiger Fleck mit einem tollen Kunst-Café. Nachdem das Zmittags-Geburi-Essen nicht gerade lecker ausfiel, gibt es zum Abendessen Pizza und Heineken-Bier 😉
Die richtig grosse Party lassen wir anderntags in Chía, einem reichen Vorort nördlich von Bogotá, krachen. Im Club Andrés Carne de Res gibt es zartes Rindfleisch, laute Latino-Musik, Animateure, die die Stimmung anheizen und gestossen volle Tanzflächen. Ach und wie die Kolumbianer ihre Hüften schwingen lassen können… als wären sie tanzend zur Welt gekommen. Entsprechend ist auch die Stimmung, locker, fröhlich ausgelassen, einfach fantastisch!
Auf dem Weg ins nächste Kolonialdorf ertönt ein neues Geräusch. Wir lauschen einem Zischen. Schliesslich finden wir die Lösung des Rätsels. Der Turbolader-Schlauch hat sich gelöst. Ja gut, schnell gefixt kann die Fahrt weiter gehen und der Zwischenstopp hat noch dazu verholfen, dass wir wieder auf Jonas, Laura und Lukas treffen.
Das wohl bekannteste Kolonialdorf Kolumbiens heisst Villa de Leyva. Der riesige, kopfsteingepflasterte Hauptplatz ist von vielen Restaurants, Cafés und Souvenirläden umgeben. Wir freuen uns unglaublich, als wir in einer Nebengasse ein kleines Lokal entdecken. Wie lecker, heute gibt es Koreanisch! Essen, das uns an gemütliche Abende Zuhause erinnert, wenn unser Freund Thomas uns mit koreanischen Spezialitäten verwöhnt.
Weiter nördlich stehen wir in San Gil auf dem Camping Fogota, wo wir unter märchenhaften Bäumen kolumbianische Parilla-Würstchen über dem Feuer brutzeln. Für Unterhaltung sorgt die Ara-Dame Laura.
In Barichara, einem weiteren Kolonialdorf, finden wir einen Stellplatz mit Traumpanorama.
Dennoch bleiben wir nicht bis zur Nacht, denn der Ort ist zwar hübsch gepflegt, die Häuser sind frisch gestrichen, doch das Dorf ist heute wie ausgestorben. Zu ruhig für unseren Geschmack. Vielleicht sind wir uns das einfach auch nicht mehr gewohnt. Spielt sich das Leben in Südamerika sonst immer draussen ab.
Wir fahren also weiter. Das Thermometer steigt, umso näher wir dem kolumbianischen Tiefland kommen.
Als es drückend heiss ist, endet die asphaltierte Strasse und mündet in eine staubige, löchrige Piste. Das Ganze erinnert uns an die Fahrt durch den paraguayischen Chaco.
Inmitten der Sumpf-Landschaft liegt Mompóx. 1537 gegründet war die Kolonialstadt einst ein wichtiges Handelszentrum, durch dessen Hafen Gold, Silber und Smaragde flossen. Als Dampfer die Segelschiffe verdrängten, wurde der Zwischenstopp überflüssig und die Stadt am Río Magdalena versank für lange Zeit in Vergessenheit. Der aufkommende Tourismus erlöst es gerade aus dem Dornröschenschlaf. Ein paar schmucke Kirchen und alte Bauten erfreuen sich ihrer Beliebtheit. Wir wundern uns über die vielen Schweizer Kreuze im Ort. Später erfahren wir, dass das heilige Kreuz von Mompóx dem helvetischen entspricht und es als Stadtflagge auserkoren wurde, da die Schweiz für Demokratie steht. Als wir durch die Strassen und an der Uferpromenade entlang schleichen, erstaunt es uns nicht, dass sich in dieser Brut-Hitze Schaukelstühle grosser Beliebtheit erfreuen. Es ist knapp 40 Grad, während die Luftfeuchtigkeit bei 90 Prozent liegt.
Als wir abends den blutrünstigen Moskitos entfliehen, ohne Licht im Bett höckeln und Schweissperlen trotz absolutem Nichtstun runter träufeln, sehne ich mich nach der kühlen Schweiz. Der deutsche Forscher Alexander von Humboldt, der hier 1801 Krokodile sezierte, beschrieb die Stadt als „einer der heissesten Orte Amerikas“. Zudem machte er die grossartige Feststellung, dass die Moskitos hier auch durch mehrere Lagen Kleidung hindurchstechen. Um fünf Uhr wird’s hell und wir haben die Nacht überstanden. Wie die Sonne aufsteigt, verlassen wir Mompóx. Bis zum Sonnenuntergang sind wir unterwegs. Unser Ziel ist die Karibikküste. Einige Kilometer fahren wir an der Grenze von Venezuela entlang, wo die politische Situation seit vielen Monaten als höchst unsicher gilt. Wegen Schmuggel und illegaler Zuwanderung passiert man in dieser Gegend viele Militärkontrollen. Der günstige Sprit aus dem Nachbarland wird am Strassenrand verkauft.
Dann haben wir es geschafft. Wir haben ihn erreicht, den nördlichsten Punkt unserer Südamerikareise. Inmitten einer dürren Wüste, dem Gebiet der Wayúu-Indigenen befindet sich auf einer Halbinsel Cabo de la Vela. Mit einem Guide könnte man noch höher fahren, nach Punta Gallinas. Doch für uns ist hier genug, denn was wollen wir mehr als Meer und Wind, einer Bucht, die den Kitern und Fischern gehört.