Adíos America Latina – Von Mazatlán via Veracruz und Mexiko City zurück in die Schweiz

Wir nehmen Abschied. Zuerst von der Baja California…

…dann vom Land und den Leuten in Mexiko und schliesslich von Lateinamerika, das uns in den letzten zwei Jahren fest ans Herz gewachsen ist. Ja, wir machen uns auf den Heimweg. Die 16-stündige Überfahrt vom südlichen Californien zurück ans mexikanische Festland verläuft unkompliziert. Auf der TMC-Fähre darf man sich im Fahrzeug aufhalten. Wir haben Glück und der Seegang ist sehr ruhig, sodass wir problemlos schlafen können.

In einer Woche müssen wir in Veracruz sein, um die Heimverschiffung von Rudolph zu organisieren. Von Mazatlán, einer Hafenstadt an der Westküste von Mexiko bis nach Veracruz an an der Ostküste sind es gut 1’400 Kilometer. Die Route führt uns nochmals quer durchs Land, wobei wir uns aus Zeitgründen nur noch wenige Orte anschauen werden. Nach einer schweisstreibenden Fahrt bei schwül-heissen Temperaturen gelangen wir in den Bundesstaat Jalisco, wo überall blaue Agaven zur Herstellung von Tequila wachsen.

Die Stimmung im Dorf Tequila ist tranquillo. Die gemütliche und gesellige Stimmung auf den Dorfplätzen und die Gelassenheit, welche die Menschen ausstrahlen, wird wohl etwas sein, was wir zurück im Alltag in der Schweiz vermissen werden. In Tequila erinnert einem alles, selbst der Geruch, der überall in der Luft liegt, an das berühmteste Getränk Mexikos, das hier seit dem 17. Jahrhundert hergestellt wird.

Auf dem Dorfplatz dürfen wir eine Vorführung mexikanischer Voladores bestaunen. Bei diesem alten Ritual der Nahua und Totanaken klettern fünf Männer zu einer Plattform an der Spitze eines bis zu 30 Meter hohen Mastes, der die Verbindung zwischen Himmel, Erde und Unterwelt darstellt. Während einer der Männer mit Trommel und Rohrflöte eine Melodie spielt, springen die vier anderen Voladores, an Seile gebunden, in die Tiefe und umkreisen mehrmals den Masten, bis sie den Boden erreichen.

Ebenfalls im Bundesstaat Jalisco liegt die Grossstadt Guadalajara. Im etwas ruhigeren Vorort Tlaquepaque verbringen wir ein paar Stunden in den reich verzierten Gassen und schlendern durch die vielen Souvenirläden. Für die Nacht fahren wir noch ein kleines Stück weiter und übernachten bei einer Pemex-Tankstelle.

Bei der Käserei QuesArt in Atotolinco staunen wir über die echt gute Auswahl an Weich- und rezenten Käsen. Ein kleiner Vorgeschmack auf Zuhause. Schweiz wir kommen!

Auf dem Weg nach Puebla machen wir auf halber Strecke Rast. Nach einer Nacht auf 1’000, dann 1’500 geht’s nun ins 2’000 Meter über Meer gelegene Dorf Bernal. Die Ortschaft befindet sich am Fuss des mehrere Millionen Jahre alten Peña de Bernal. Ein Monolith, der magische Kräfte besitzen soll. Auch hier saugen wir die Ruhe und Gemächlichkeit des Lebens nochmals in uns auf.

Dann sind wir zurück in Puebla. Hier waren wir schon vor Weihnachten, um unsere deutschen Freunde zu besuchen. Wir freuen uns riesig. Leider ist Mama Christiane mit dem ältesten Sohn gerade in Peru. Doch Danny und die jüngeren drei Kinder heissen uns voll lieb willkommen. Übers Wochenende wollen wir hier Rudolph für die Verschiffung vorbereiten. Alles soll gut aufgeräumt und verstaut sein. Sonntags haben wir uns dann den Ausflug mit den Kids ins Kino verdient. Auch ein Highlight – der erste Kinobesuch nach zwei Jahren.

Das Erdbeben von der Stärke 7.2, welches den Süden von Mexiko einmal mehr erschüttert, bekommen wir auch in Puebla zu spüren, wobei uns zum Glück nichts passiert. Montags fahren wir wie geplant an die Golfküste nach Veracruz. Nach einer letzten Nacht im Bus, auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums, machen wir uns ans Bürokratie-Prozedere. Etwas nervös macht uns dabei, dass wir von anderen Reisenden wissen, die ihr Fahrzeug für die Verschiffung leer räumen mussten. Doch wir sind zuversichtlich und zuerst liegen einige Schritte vor uns, bei denen zunächst das Problem besteht, dass uns der Ablauf dieser Schritte unbekannt ist. So kommt es zur einen oder anderen Extra-Schlaufe, doch schliesslich steht Rudolph im Hafen parat und wir verfügen über alle nötigen Papiere und Stempel für die Inspektion.

Die Dame vom Büro des Hafenzolles macht alles noch etwas dramatisch, als sie erklärt, dass in einem Camper zwar „Möbel“ und eine Grundausrüstung akzeptiert würden, Kleider, Lebensmittel und sonstiger Hausrat aber nicht im Fahrzeug mitgeführt werden dürften bzw. in einem separaten Container verschifft werden müssten. Ja hoppla! Vorläufig hilft hier die bewährte Strategie: wenig sagen, sich freundlich entschuldigen und immer schön lächeln 😉 Bei der Inspektion selbst verläuft dann alles ganz flott. Zwei Herren und ein weiterer mit Drogenhund nehmen eine gründliche Untersuchung vor und machen viele Fotos, sind aber sehr freundlich. Wir unterhalten uns mit ihnen noch etwas über unsere Reise und die Unterschiede zwischen Mexiko und der Schweiz. Einzig zwei Flaschen Tequila dürften nicht mit. Anscheinend folgen die Herren anderen Regeln als die Dame vom Büro. Nach ihrer Ansicht ist nur Alkohol nicht erlaubt. Als wir etwas enttäuscht erklären, dass wir den Tequila nicht mitnehmen könnten, da wir nur mit Handgepäck und via USA heimreisen, erlauben uns die Beamten augenzwinkernd, die Flaschen zurück ins Fahrzeug zu stellen. Das Ganze natürlich – gegen jedes Vorurteil – ohne Schmiergeld. Jaja.. wie wir Mexiko doch lieben 🙂

Wir bleiben noch ein paar Tage länger in Veracruz. Schlendern durch die gemütliche Altstadt und essen Tacos, Tacos und noch mehr Tacos. Während in der Schweiz Minusgrade den Alltag beherrschen, geniessen wir letzte wärmende Sonnenstrahlen und das Meer.

Mit einem Reisebus fahren wir nach Mexiko-Stadt, wo wir die letzten Tage in zwei verschiedenen Hostels mitten im Zentrum verbringen.

México DF oder „De Efe“, wie die Einheimischen ihre Hauptstadt nennen, liegt in einem Hochtal auf 2‘300 Meter. Nach den Tagen am Meer ist die dünne Höhenluft etwas ungewohnt, was uns aber nicht davon abhalten soll, unsere Füsse platt zu laufen und die schwindelerregende Plattform des Momumentos de Revolucion zu besteigen.

Wir freuen uns riesig über das Wiedersehen mit Joana, einer Mexikanerin, die wir in Mérida kennengelernt haben und die in der Stadt lebt und Raul, ebenfalls Hauptstädtler, den wir in El Salvador am Vulkan Santa Ana getroffen haben. Die beiden sind super herzlich und gastfreundlich und für uns die besten Stadt-Guides. Muchas gracias amigos!

Nach mehr als zwei Jahren, genau 765 Tagen, über 350 verschiedenen Übernachtungsplätzen in 17 Ländern und 62‘000 gefahrenen Kilometern fliegen wir – da wir ja noch immer Zeit, aber begrenzt Geld haben 😉 – via Los Angeles und London zurück in die Schweiz.

Nervös sitzen wir im Flugzeug, das uns nach Zürich bringen soll. Wegen Schneefalls in London haben wir zwei Stunden Verspätung, doch schliesslich ist die 30-Stunden-Heimreise geschafft. Welch grosse Überraschung 🙂 Unsere Familien stehen mit Willkommens-Plakaten bereit und heissen uns unglaublich herzlich und einfach umwerfend schön willkommen!

Wir blicken auf eine tolle Reise zurück und sind dankbar und glücklich, wieder in der Heimat und unter Freunden und Familien zu sein. Wie unser Rudolph auch noch heimkommt, dazu mehr im letzten Blogbeitrag von Rudolph on Tour 🙂

Kiten, schlemmen und feiern in La Ventana – Acht Wochen Baja California Sur

Um Mitternacht verlässt die Autofähre den Hafen von Topolobambo. Bei Sonnenaufgang erreichen wir La Paz, die Hauptstadt des Bundesstaates Baja California Sur, dem südlichen Teil der mexikanischen Halbinsel Niederkalifornien.

Schon lange freuen wir uns darauf, hier die letzten Wochen unserer Reise zu verbringen! Strahlend fahren wir durch die karge Wüstenlandschaft und ein Feld voller riesiger Kakteen. Der Himmel ist strahlend blau und die Luft trocken und auch im Winter angenehm warm.

Vom Hafen in La Paz fahren wir direkt nach La Ventana. Dorthin, wo in unserer Navigations-App schon lange ein pinkes Lesezeichen leuchtet, Vermerk: Kitespot! Schon am Ortseingang fällt auf, was die Baja vom Rest Mexikos unterscheidet. Als südliche Verlängerung Californiens zieht es viele US-Amerikaner und Kanadier hierher. Englisch hört man hier mehr als Spanisch und die Preise sind den Gringos angepasst. Auf den RV-Campingplätzen in La Ventana stehen grosse Wohnmobile hinter Mauern eingepfercht. Etwas geschockt fahren wir weiter, denn so haben wir uns das nicht vorgestellt. Am nördlichen Punkt des Nachbardorfes El Sargento finden wir dort, wo während der Regen- und Hurrikanzeit das Wasser von den Bergen herunterfliesst, einen offenen, freien Stellplatz. Im Arroyo Sotol gibt’s zwar keine Infrastruktur, dafür viel Platz umsonsts. Wir lernen das österreichische Ehepaar Monika und Fritz kennen, die hier seit Jahren den Winter verbringen. Sie sind unsere neue Nachbarn, mit denen wir die nächsten Wochen viel lachen und feiern.

La Ventana ist ein grosses Wind- und Kitesurf-Paradies. So viele Schirme am Himmel wie hier haben wir noch nie gesehen. Die Vormittage im Arroyo Sotol sind wunderbar ruhig, die See noch spiegelglatt und glasklar. Gegen Mittag zieht der Wind auf und sorgt für viel Spass und ganz schön Muskelkater.

Nicht nur Monika und Fritz überwintern hier, auch für Karl, Ken und Claude aus Kanada und Québec, für das Ehepaar John und Toni aus Alaska und den US-Amerikaner Brian ist das Arroyo Sotol das jährliche Winter-Domizil. Nebst den Stammgästen kommen immer mal wieder Overlander für ein paar Tage auf den Platz. Zu Weihnachten sind Martina und Hermann aus Düsseldorf da, die mit ihrem selbst umgebauten Militär LKW von Kanada und den USA Richtung Süden reisen. Gemeinsam verbringen wir gemütliche Tage. Die Kakteen ersetzen den Tannenbaum und das Tecate-Bier den Glühwein.

Zu Weihnachten kommt Guido. Unser Freund aus der Schweiz ist auch mit Monika und Fritz befreundet und kommt für zwei Wochen ins Arroyo. Zusammen verbringen wir eine super Zeit. Wir geniessen es, mal wieder Schwiizerdütsch-zrede und gemeinsam zu kiten und zu kochen. Kulinarisch befinden wir uns nämlich gerade im Paradies. Wir stellen fest, dass Hornitos-Tequila und Schweizer Schoggi perfekt zusammen passen. Auch sonst harmoniert die mexikanische mit der schweizerischen Küche. Nebst frischem Fisch und Shrimps, Tacos und Fleisch vom Grill kommen wir dank Guido in den Genuss eines leckeren Fondues und Thomas backt mal wieder einen feinen Zopf.

Dann kommt uns noch das französische Paar Elora und Pierre besuchen. Elora haben wir in Mérida kennengelernt. Zusammen mit ihrem Freund Pierre, der seit ein paar Monaten mit dem Fahrrad durch die USA und Mexiko reist, ist sie für eine Ferienwoche ebenfalls mit Fahrrad im Süden der Baja unterwegs. Leider können die beiden nur eine Nacht bleiben, doch Pierre ist uns auf Anhieb genauso sympathisch wie Elora und so verbringen wir ein paar sehr schöne und amüsante Stunden zusammen.

Nebst Englisch, Hoch- und Schweizerdeutsch üben wir uns weiterhin im Spanisch. Wir lernen Guidos, Monikas und Fritz sympathische Freunde Marcela und Rico mit Sohn Nico und Selene und Ulices kennen.

Rechtzeitig zur Silvesterparty kommt Hielke vorbei. Der Holländer haben wir wie Elora in Mérida kennengelernt. Normalerweise reist er alleine und mit Motorrad. Da er aber bei einem Unfall auf der Baja seinen Arm gebrochen hat, ist er zurzeit ohne sein Motorrad und mit Janina, einer Freundin aus Deutschland, mit Mietauto und Zelt unterwegs.

Die letzten Jahre feierten Guido und Marcela ihre Geburtstage zusammen. Dieses Jahr reist Guido aber vorher ab und so lassen wir eine Pre-Party steigen, an der es an nichts fehlen soll. Es gibt ein grosses Feuer, leckere Tacos, eine Piñata, ein mexikanischer Dreikönigskuchen und natürlich Cerveca und Tequila.

Als dann Markus aus dem Schwäbeländle, ein Freund von Matthias, den wir wiederum beim Kiten in Peru kennengelernt haben, und seine Freundin Cate aus Californien dazustossen, gibt es eine weitere Pary, denn gleich bei ihrer Ankunft erfahren wir: morgen ist Markus Geburtstag 😉

Der Januar hat es echt in sich, denn es folgen die Geburtstage von Monika, dem kleinen Nico und dann noch der „richtige“ von Marcela. Rudolph wird zum Partybus und voll beladen geht’s in eines der Restaurants im Ort, wo wir leckere Chile rellenos (Chilis mit Käse- und/oder Fleischfüllung) essen und dazu eine Margarita schlürfen.

Zurück im Arroyo findet Monikas Après-Party am heissbeliebten Feuer und bei Vollmond statt.

Nach den vielen Lagerfeuern ist das Holz aufgebraucht. Da hilft nur eines und zwar ein sogenannter Wood-Run. Das heisst, wir fahren in die Berge und suchen nach Kaktusholz. Ausgerüstet mit Handschuhen, denn im Holz verstecken sich gerne Skorpione und Schlangen. Als Thomas ein paar Tage später nach einem Stück Holz fürs Feuer greift, sticht ihn tatsächlich ein Skorpion in den Mittelfinger. Autsch.. Zum guten Glück reagiert Thomas nicht allergisch und der Stich ist zwar extrem schmerzhaft und betäubend, aber überlebbar. Was hilft? Tequila, meinen unsere einheimischen Freunde.

Natürlich feiern wir nicht nur, sondern kitesurfen weiterhin fleissig und jeden zweiten Morgen gibt es Gymnastik- und Joga-Übungen mit Monika.

So vergehen dann mal vier Wochen bis wir die Ortsausfahrt La Ventanas überqueren. Nachdem wir in der Stadt La Paz ein paar Sachen eingekauft und erledigt haben, verbringen wir am schönen Strand Tecolote eine Nacht auswärts.

Zurück „Daheim“ findet mit dem La Ventana Classic unweit von unserem Stellplatz ein mehrtägiger Kite-Event statt.

An ein paar windstillen Tagen fahren wir zusammen mit Cate und Markus zu heissen Quellen in den Bergen und mit unseren Nachbarn vom Arroyo zum Schnorcheln zur Bahía de sueños. Die Bucht der Träume ist echt paradiesisch. Auch bei einem anderen Strand, wo ein altes, verlassenes Hotel steht und beim Leuchtturm bei der Punta Arena am Ende der Bucht gefällt es uns.

In den Wintermonaten kann man vor der Küste Baja Californias Grauwale beobachten, die von den arktischen Gewässern an die Pazifikküste Mexikos kommen. Diese riesigen Tiere sehen wir leider nicht, denn dafür halten wir uns zu weit südlich auf. Nicht weniger imposant sind aber die Walhaie, die sich im Winter in der Bucht von La Paz tummeln. Der Walhai ist gegenwärtig der grösste Hai und zugleich der grösste Fisch der Welt. Zusammen mit Cate und Markus, Marcela und Rico und dessen Freund Archie, der ein Tourunternehmen führt, fahren wir mit dem Boot hinaus. Gleich mehrmals schwimmen wir nebst den gigantischen Walhaien. Da sich die friedlichen Tiere mit ihrer breiten, stumpfen Schnauze von Plankton ernähren, ist das Wasser etwas trüb. „Er kommt, er kommt in eure Richtung!“ Wir tauchen unter und wow, da erscheint er plötzlich vor uns, dieser gigantische Fisch, der uns den Atem raubt und unseren Puls höher schlagen lässt! Es sind Jungtiere, die „nur“ etwa fünf Meter lang sind, während die Ausgewachsenen doppelt so lang werden. Nach den Walhaien machen verspielte Seelöwen unseren Schnorcheltrip zu einem grossartigen und unvergesslichen Erlebnis!

Mitte Februar ist Carneval. An der Malecon, der Uferpromenade, von La Paz findet die Woche vor Aschermittwoch ein grosser Jahrmarkt mit vielen Essensbuden statt. Freitagabend spielen auf mehreren Bühnen verschiedenste Bands. Wieder zusammen mit Marcela, Rico, Cate und Markus haben wir viel Spass am Konzert der mexikanischen Band Molotov und zwei weiteren Rock- und Ska-Bands.

Der Pazfik war ein treuer Begleiter auf unserer Reise. Im gemütlichen Städtchen Todos Santos steht das berühmte Hotel California, das dem gleichnamigen Song seinen Namen verliehen haben soll. Hier essen wir unser letztes Ceviche und verabschieden uns mit einem Schluck Pacifico-Bier vom pazifischen Ozean.

Adíos Pacifico, adíos Baja Sur! Nach zwei Monaten fällt uns der Abschied von unseren Nachbarn im Arroyo Sotol und den mexikanischen Freunden nicht leicht. Ihr Lieben, danke für diese unglaublich tolle Zeit! Ob wir nächstes Jahr wieder kommen? Wer weiss…

 

Entspannung in Tolantongo, Stille in der Wüste und Abenteuer im Kupfercanyon – Méxicos Norden

Die Grutas de Tolangtongo, die Thermalbäder 180 Kilometer nördlich von Mexiko City, sind ein absoluter Traum! Inmitten einer Kakteen-Landschaft entspringen die Quellen in einer tiefen Schlucht und beliefern Höhlen, Flüsse und Becken mit heissem Wasser.

Das Thermalwasser fliesst durch einen natürlichen Tunnel in einem Felsen, stürzt in eine wunderschöne Kalksteinhöhle herunter und mündet in einen Fluss.

Der Fluss ist so wunderschön türkis, wie wir es bisher nur von eiskalten Gletscherseen kennen.

Relaxt fahren wir weiter nach Westen und gelangen ins koloniale Kernland Mexikos. Im charmanten Kolonialstädtchen San Miguel de Allende, wo einst Maultierkarawanen mit Silber und Gold durchkamen, verbringen wir ein paar gemütliche Stunden bei herrlichen Frühlingstemperaturen.

In der Stadt Dolores Hidalgo wollen wir uns über Nacht auf den Dorfplatz stellen. Da dort aber ein Motorradfest stattfindet und es bereits dunkel wird, fragen wir die lokale Polizei um einen sicheren Übernachtungsplatz. Schliesslich landen wir auf dem Parkplatz eines Auditoriums. Es wird eine kalte Nacht, bei der feine Hagelkörner auf Rudolphs Dach rieseln. Anderntags ist in den Zeitungen zu lesen, dass ein aussergewöhlicher Schneesturm von den USA in den Norden Mexikos einbrach.

Guanajuato, die nächste Stadt unserer Route, gefällt uns noch etwas besser als San Miguel. In dieser einstigen Minen-Stadt steigen bunte Häuser und extrem viele prunke Kolonialbauten aus einem Talkessel die Hügel empor. Um diese schwierige Topografie zu kompensieren, verläuft der Verkehr im Stadtzentrum unterirdisch. Uns gefällt die autofreie Altstadt mit den vielen schmalen Gassen, romantischen Plätzen und einer grossen, bunten Markthalle.

Dann liegen lange Distanzen durch eine schier endlose Wüstenlandschaft Nordmexikos vor uns. Während die Luft im Sommer hier kochen muss, ist sie jetzt trocken und kühl.

Nach einem langen Fahrtag gelangen wir gegen Abend in die Zona del Silcenio. Um die Zone der Stille inmitten der Wüste Chihuahuas ranken sich zahlreiche Mythen und Legenden über UFO-Sichtungen und andere Phänomene und energetische Anomalien. Tatsächlich befindet sich die Zone auf dem geografisch selben Breitengrad wie das ebenso rätselhafte Bermuda-Dreieck und die Pyramiden von Gizeh. Die Gegend weist ein starker Magnetismus auf, wodurch hier jährlich Hunderte Meteoriten niedergehen. Gleich ob Mythos oder Realität, die spektakulären Meldungen machen die Gegend geheimnisvoll und letztendlich für den Tourismus interessant.

In der Zone der Stille befindet sich das Biosphären-Reservat Mapimí. Es beheimatet seltene Pflanzenarten und Wüstentiere und ist vor allem ein Naturschutzgebiet für die wegen Wildtierhandels vom Aussterben bedrohte Wüstenschildkröte. Am Rande des Reservats leben ein Dutzend Erwachsene mit ein paar Kindern weitgehend selbstversorgend. Sergio ist einer davon. Enthusiastisch und humorvoll führt er uns durch ein kleines Museum. Die grössten fossilen Relikte und andere Funde befänden sich in Mexiko City oder in Museen Europas, erklärt er uns.

Nach einer wirklich stillen Nacht, bei der wohl nur ein paar Hasen und sonstige Wüstentiere lautlos um Rudolph schlichen, erwachen wir mit den ersten Sonnenstrahlen. Da noch viele Kilometer vor uns liegen, klopfen wir schon bald an Sergios Türe, um zu bezahlen und uns zu verabschieden. Noch vor einem Kaffee? Nein, das geht natürlich nicht. So sitzen wir wenig später in einer dunklen, aber warmen und gemütlichen Küche und beobachten, wie seine Mutter am offenen Feuer in der Ecke unser Frühstück zubereitet. Wir kommen in den Genuss der besten Tamales, die wir je hatten. Die in einem Maisblatt eingehüllten Maisteigtaschen sind gefüllt mit Fleisch und Käse. Die Stimmung ist fröhlich. Dass man sich hier über eine Unterhaltung mit Auswärtigen freut, ist spürbar. Wir sollen doch zu ihnen ziehen, meint Sergio scherzhaft. Zum Abschied schenkt er uns einen wunderschönen Edelstein aus der Gegend. Doch damit nicht genug. Kurz bevor wir dann doch weiterfahren, überreicht er uns stolz einen selbstgemachten Pavasaurier. Unser neues Haustier aus Pappe, halb Pavo, d.h. Truthahn, halb Dinosaurier. Als wären wir die besten Freunde, gibt es eine feste Umarmung à la Méxicano, bei der man sich so drückt, dass sich die Herzen berühren. Überwältigt von dieser Gastfreundschaft und tief berührt verlassen wir diesen speziellen Ort, der für uns ein grossartiges Highlight geworden ist.

Viele Kilometer weiter nördlich kommen wir in die Wildwest-Stadt Chihuahua. Von hier wären es nur noch weitere 250 Kilometer bis nach Texas. Doch für uns ist hier der nördlichste Punkt unserer Reise erreicht. Von Chihuahua wissen wir nicht viel, nur das berühmteste Einwohner Francisco „Pancho Villa“ war, dessen Namen man in der Schweiz auf mexikanischen Produkten wie Tortilla-Chips und Fajita-Sets findet. Er war ein einflussreicher Führer und Held in der mexikanischen Revolution von 1910 bis 1920.

Wir fahren weiter westwärts und kommen in Cuauhtémoc ins Gebiet der Mennoniten, die 1921 auf Einladung des damaligen Präsidenten Obregón hierher umsiedelten. Die Freikirchler, die einst von Preussen über Russland nach Kanada flohen, waren in Kanada mit dem Staat in Konflikt gekommen, weil die Männer im Ersten Weltkrieg den Wehrdienst verweigerten. Auch die mexikanischen Mennoniten betreiben viele Käsereien, wobei wir leider keinen so guten Käse finden, wie damals bei den Kolonien in Paraguay.

Das örtliche Museum erzählt uns viel über die Geschichte, den Glauben und die Kultur der blonden und hellhäutigen Mennoniten, die sich deutlich von ihren mexikanischen Nachbarn abheben. Die Männer tragen Latzhosen und die Frauen dunkle Röcke und Kopftücher. Sie sprechen den friesischen Dialekt ihrer Vorväter aus Deutschland. Anders als bei den Amisch ist ihnen die moderne Technik nicht fremd, aber ihre Lebensweise bleibt traditionell. Die Holzhäuser und Scheunen geben der Gegend einen europäischen Charakter.

In den Bergen der Sierra Madre Occidental befindet sich das Dorf Creel und in dessen Nähe der Bergsee Lago Arareco, wo wir nach einem Spaziergang durch den Kiefernwald den Abend am wärmenden Lagerfeuer und mit drei Strassenhunden verbringen.

Creel ist das Tor zu den Barrancas del Cobre, dem Kupfercanyon, ein Schluchtensystem der Sierra Tarahumara. Von Chihuahua fährt der berühmte Zug El Chepe 670 Kilometer durch die wildromantische Gegend bis an die Pazifikküste herunter. Der Bau dauerte fast ein Jahrhundert. Mit 86 Tunnels und 37 Brücken zählt die Strecke zu den grössten Ingenieurleistungen der Welt. Nicht mit El Chepe, sondern mit Rudolph, freuen wir uns auf eine spektakuläre Strecke, werden aber erstmals enttäuscht. Statt einer Piste führt eine Asphaltstrasse durch die Wälder und über die Bahngleise.

Noch ist kein Abenteuer in Sicht. Dies ändert sich aber, als wir nach rund 100 Kilometern die letzten 20 die Schlucht nach Urique herunterfahren. Nebst der schmalen Schotterstrasse fällt der Hang steil ab. Der bissige, uns mittlerweile aber auch so vertraute Feinstaub-Geruch steigt uns in die Nase. Ja, so haben wir uns das vorgestellt 🙂

Die Strecke von Urique nach Los Mochis am Pazifik wäre dann vermutlich noch abenteuerlicher. Da uns aber ein Freund, der die Strecke vor wenigen Wochen mit dem Motorrad gefahren ist, davon abrät, entschliessen wir uns, zurück an den Lago Arareco zu fahren. Nochmals übernachten wir in der kalten Höhe. Dann steht uns eine lange Strecke bevor, die nochmals alles zu bieten hat. Viele Kurven, Schlaglöcher, Steinschläge und Kühe und Schweine inmitten der Strasse. Nach 736 Kilometer und einem ordentlich langen Fahrtag wird es schon um halb Sechs dunkel und so fahren wir die nächste Tankstelle an.

Geschafft! Anderntags geht’s mit der Autofähre auf die Halbinsel Baja California, wo wir die letzten Wochen unserer Reise mit Kitesurfen verbringen wollen 🙂

 

On the road again – von Campeche durch Mexikos Süden nach Puebla

On the road again – Rudolph rollt wieder 🙂 Es ist ein fantastisches Gefühl, nach vier Wochen wieder in unserem Zuhause auf Rädern zu sein. Mit einem fetten Grinsen sind wir von Mérida nach Campeche unterwegs. Die Hafenstadt am südlichen Golf von Mexiko gefällt uns. Das historische Zentrum ist friedlich und bunt. Wir schlendern durch die alten Gassen und besteigen die Festungsmauern, welche die Stadt umgeben und einst dazu dienten, englische, französische und holländische Piraten abzuwehren.

Wir fahren weiter nördlich, der schönen Küstenstrasse entlang. In Ciudad del Carmen machen wir eine Pause für einen Strandspaziergang.

Die folgende Nacht verbringen wir bei einer Pemex, einer mexikanischen Tankstelle. Bei Sonnenaufgang fahren wir wieder los und kommen erst beim Eindunkeln am nächsten Übernachtungsplatz an. Die letzten Kilometer führen uns geschlängelt durch den Wald ins zentrale Hochland Mexikos. Die Nacht auf dem Mirador, einem Aussichtspunkt im Valle Central, wird bissig kalt. Die Höhe ist mal wieder merklich spürbar.

Mit Oaxaca erwartet uns eine belebte Künstlerstadt mit eleganten Kolonialhäusern und prunken Kirchen. Uns gefallen besonders die geschäftigen Märkte und dass auf den Strassen so viel los ist. Hier und da läuft Musik, werden Darbietungen vorgeführt, Hochzeiten und andere Feste gefeiert.

Im autofreien Zentrum Oaxacas wimmelt es von Verkäufern, Reisenden und farbenfroh gekleideten Indigenen aus der Umgebung. Auf dem Hauptplatz campieren Studenten und eine politisch geflüchtete Minderheit zum Protest.

Der Souvenir- und Essensmarkt ist zwar sehr toll, aber auch ziemlich touristisch. Da ist der grosse Samstagsmarkt, der Mercado de Abastos, ausserhalb der Altstadt authentischer. Wir geniessen den wunderbaren Mix an Geräuschen, Gerüchen und Farben. Von Insekten, rostigem Werkzeug, frischem Gemüse, Fleisch und Fisch zu Kleidern, Kunsthandwerk, Schweinen und Hühnern wird hier wieder einmal alles angeboten, was man sich nur vorstellen kann.

Oaxaca ist zudem bekannt für leckere Schokolade und Frischkäse sowie hochprozentigen Mezcal.

Im nahe gelegenen Dorf Santa María de Tule steht nebst der Kirche ein gigantischer Baum, der unglaubliche mehr als 2000 Jahre alt sein soll. Mit einer Höhe von über 40 und einem Durchmesser von 14 Metern ist der Árbol del Tule jedenfalls ganz schön imposant.

Wir fahren weiter ins fruchtbare Hochtal von Oaxaca und gelangen nach Hierve El Agua. Ein Ort, der uns von anderen Reisenden mehrfach empfohlen wurde, von dem wir aber kaum etwas wissen. Wir sind gespannt, was uns heute erwartet. Wow – und werden nicht enttäuscht! Wir blicken auf ein weites Tal mit Hügeln voller Kakteen, Gesteinsformationen und natürlichen Badebecken. Das mineralreiche Wasser, das von Kalk übersättigt ist, hat zwei weisse, „versteinerte“ Wasserfälle gebildet. Anders als es der Name vermuten lässt, vermag die heisse Quelle das Wasser im Pool nur leicht erwärmen. Doch nur schon wegen der traumhaften Aussicht lohnt sich ein frühmorgendlicher Sprung ins kühle Nass.

Wir lernen Celine und Mike aus Winterthur kennen. Die beiden sind mit ihrer Viejita, einem mexikanischen VW-Bulli, unterwegs nach Panama. Wir verstehen uns auf Anhieb sehr gut und beschliessen, den Tag zusammen zu verbringen. Wir fahren zurück durchs Tal von Oaxaca. Genau so haben wir uns Mexiko vorgestellt. Das Postkartenbild einer trockenen, fast menschenleeren Landschaft mit riesigen Kakteen, Männern im Pferdesattel, grasenden Eseln und Felder voller Agaven zur Herstellung von Tequila und Mezcal.

Im Dorf Tlacolula besuchen wir den indigenen Markt, lassen uns die örtliche Spezialität, eine gut gewürzte Ziegenfleisch-Suppe, und ein paar Gläschen Mezcal schmecken. Wie der Tequila wird auch der Mezcal aus dem Saft der Agave gewonnen, doch nur die aus der Region um die Stadt Tequila im Bundesstaat Jalisco stammende Spirituose darf sich Tequila nennen.

In Guendulain stehen wir zusammen mit Celine und Mike auf einem Campingplatz auf dem Grundstück eines kanadisch-amerikanischen Ehepaars. Wir erledigen und organisieren ein paar Sachen, mechen am Fahrzeug und Mike und Thomas versuchen leider erfolglos unseren Kühlschrank, der seit der Abfahrt in Mérida den Geist aufgegeben hat, zu reparieren.

Anderntags steht uns ein langer Fahrtag bevor. Von Oaxaca geht’s kurvenreich vom kühlen und nebligen Hochland an die tropisch heisse Pazifikküste herunter.

Im kleinen Hippie-Ort Playa Zipolite erfreuen wir uns eines schönen Meeresfront-Stellplatzes auf dem Camping La Habana.

Nach dem Motto „leben und leben lassen“ wird am Strand von Zipolite das Nacktbaden toleriert, was nur in ganz wenigen Orten in Mexiko der Fall ist. Die Atmosphäre am breiten Strand und in der Fussgängerzone mit ein paar Fisch- und Taco-Restaurants ist sehr chillig.

Der Küste von Oaxaca entlang tuckern wir nach Norden und halten unterwegs beim Meeresvorsprung Punta Cometa an. Die Sicht auf die felsige Küste und menschenleeren Strände und das Geräusch der rauen Brandung gefällt uns unglaublich gut.

In Mexiko existieren sieben von weltweit acht Meeresschildkröten-Arten. Vier davon leben vor der Küste Oaxacas. In der Gemeinde Escobilla widmet sich das Projekt „Feliz Tortuga“ dem Schutz der vom Aussterben bedrohten Schildkröten. Wir buchen eine Tour, bei der wir Golfina-Schildkrötchen, die vor wenigen Stunden geschlüpft sind, am Strand frei lassen dürfen. Wie es ihre Vorfahren seit Millionen von Jahren tun, kommen die Weibchen im Alter ab acht Jahren an den Strand zurück, wo sie selbst geboren wurden, um ihre Eier zu legen. Nebst den vielen natürlichen Feinden bedrohen die Menschen und die Umweltverschmutzung ihr Überleben. Nur ein einziges Prozent der Jungtiere wird es schaffen. Die Guides leisten dabei grossartige Arbeit. Jede Nacht verbringen sie Stunden am Strand, um Eier einzusammeln und jeden Tag gehen sie mit Touristen raus, die es wie wir so toll und süss finden, die Babyschildkrötchen frei zu lassen. Für die Männer selbst ist die Arbeit oft ermüdend und frustrierend. Nicht jeder kann das, erzählt uns unser Guide. Er selbst habe nie eine Schule besucht, aber mit den Meeresschildkröten kenne er sich dafür umso besser aus. Wir sehen den Winzlingen nach, wie sie instinktiv zum Meer krabbeln und in den Wellen verschwinden und hoffen, dass möglichst viele zurückkehren werden.

Die Nacht dürfen wir beim Ecozentrum auf der Wiese mit Feuerstelle verbringen.

Auf der Fahrt nach Puerto Escondido machen wir Halt bei einer kleinen Fabrik, vor dessen Eingang ein grosser Haufen Erdnüsse darauf wartet, zu Butter verarbeitet zu werden.

Puerto Escondido, der „unentdeckte Hafen“, wurde in den 70er Jahren von Hippies „entdeckt“ und entwickelte sich danach zu einem der grössten Touristenorte Mexikos. Der Playa Zicatella ist besonder bei Surfern beliebt, wobei die Wellen zu dieser Jahreszeit nicht so hoch sind.

Abends erfreuen wir uns eines grossen Openair-Konzerts der kubanischen Band Gente de Zona.

Die nächsten 400 Kilometer bis nach Acapulco brauchen Zeit und Geduld. Nebst den vielen Kurven sind es vor allem die in Mexiko so beliebten Geschwindigkeitsschwellen. Grosse und kleine, offizielle und selbst gebaute, signalisierte und versteckte – die unzähligen Speedbumbs, hier Topes oder Reductores genannt, können echt fies und ziemlich nervig sein. In Cuajinicuilapa verbringen wir wieder eine Nacht auf einer  Pemex-Tankstelle und fahren anderntags früh wieder los. Am Nachmittag erreichen wir schliesslich die Hafenstadt Acapulco.

Ein Traum geht in Erfüllung. Seit ich als Teenager das Buch „die Klippen von Acapulco“ von Federica de Cesco gelesen habe, möchte ich die weltberühmten Klippenspringer sehen. Einer Legende nach sprang ein Fischer vor rund 100 Jahren das ersta Mal von der Quebrade, einem Felsen in Acapulco. Seit Jahren führen die Clavadistas profesionales, die professionellen Klippenspringer, täglich mehrere Vorstellungen vor. Jeder Sprung ist waghalsig und todesmutig. Zu Beginn der Vorführung erklimmen die Clavadistas die fast 40 Meter hohe Wand ohne irgendeine Absicherung. Oben verrichten sie ein Gebet und springen dann in die Tiefe. Der Sprung muss so berechnet sein, dass eine hereinkommende Welle den Springer davor bewahrt, auf dem Felsen aufzuprallen.

Wir verlassen die Küste und fahren wieder ins Inland. Auf 1800 Meter Höhe liegt die Silberstadt Taxco inmitten einer malerischen Bergkulisse. In den romantischen Gassen tummeln sich Touristen und kurven viele VW-Käfer umher.

Puebla, eine Provinzhauptstadt südöstlich von Mexiko City, ist bekannt für Töpfereien und kobaltblaue Keramik-Fliesen, die Kuppen und Wände verzieren. Ein paar Kilometer ausserhalb der Stadt raucht der 5400 Meter hohe, aktive Vulkan Popocatépetl. Wir bummeln durch die Altstadt und schmökern in den vielen Antiquitäten-Läden. Die Schäden vom grossen Erdeben vom 19. September 2017 sind noch immer sichtbar.

Das Volkswagen- und Audi-Werk ist ein grosser Arbeitgeber in Puebla, weshalb hier viele Deutsche leben. Auch Danny arbeitet während drei Jahren fürs VW-Werk in Mexiko. Wir haben Danny, Christiane und ihre vier aufgestellten Kinder in ihrem Urlaub in Guatemala kennengelernt und dürfen sie nun bei sich Zuhause in Puebla besuchen. Wir freuen uns riesig über das Wiedersehen und die herzliche Gastfreundschaft der Familie. Wir geniessen super gesellige Tage. Auch in Mexiko ist es jetzt Winter, wobei der Temperaturunterschied zwischen Tag und Nacht 20 Grad ausmacht. Tagsüber ist es sonnig warm, sodass wir den deutschen Weihnachtsmarkt mit Flipflops besuchen. Abends wird es früh dunkel und kalt, was aber die warme Stube noch gemütlicher macht.

Eigentlich wollten wir schon weiterfahren, als uns Christiane und Danny einladen, mit ihnen und ihren Freunden übers Wochenende an den Lago Tequesquitengo zu fahren. Es ist ein Abschiedsfest von zwei Familien, die bald nach Deutschland zurückkehren. Auswandern auf Zeit – uns imponiert der Mut dieser Familien, ihren Alltag im Heimatland für ein paar Jahre zu verlassen. Es wird ein tolles Wochenende mit vielen spannenden Gesprächen und einer lustigen und fröhlichen Stimmung.

Bevor wir weiterfahren, gibt es noch das eine und andere zu erledigen. Thomas geht zum Zahnarzt, Rudolph bekommt neue Bremsen und glücklicherweise finden wir jemanden, der unseren Kühlschrank reparieren kann.

Nach den wunderschönen Tagen fällt uns der Abschied nicht leicht und so hoffen wir auf ein baldiges Wiedersehen und sagen vielen lieben Dank für die super tolle Zeit!

Mexiko – Backpacking durch Chiapas & Couchsurfing in Mérida

Ich stelle mir einen älteren, schäbigen Bus vor und dass wir den Fahrpreis mit dem Chauffeur verhandeln werden. Tatsächlich erwartet uns ein ultramoderner Busbahnhof mit Wifi und USB-Plugins. Nicht etwa beim Chauffeur, sondern am offiziellen Schalter kaufen wir ein Ticket für den Nachtbus von Mérida nach Palenque und während der gut 500 Kilometer langen Fahrt geniessen wir komfortable Liege-Sitze. Mexiko überrascht uns einmal mehr.

Da der Reisebus schon um Sechs in Palenque ankommt, beschliessen wir die Maya-Ruinen noch am selben Morgen zu besuchen. Im dichten Urwald sind aus der Ferne Brüllaffen zu hören. Die Treppenstufen hoch zu den Pyramiden sind in der feuchtheissen Luft ganz schön schweisstreibend. Von 615 bis 683 war Palenque König Pakals Reich. Pakal starb im damals unglaublich hohen Alter von 80 Jahren und wurde im Tempel der Inschriften begraben. 1952 wurde das Grab mit der Totenmaske aus Jademosaik, dem Skelett voller Edelsteine und anderen Grabbeigaben entdeckt. Es war einer der grössten archäologischen Maya-Funde der Geschichte.

Als Palenque Anfang des 10. Jahrhunderts unterging, wurde die Stadt dem Dschungel überlassen. Heute sind die Haupttempel der Anlage ausgegraben und restauriert, doch viele Steine liegen noch im Urwald begraben.

Die Skulpturen, Glyphen und Flachreliefs im Museum beeindrucken uns. Sie erzählen viel über das Leben und die Taten der alten Mayas. Das Eindrücklichste ist die Nachbildung in Echtgrösse des mit Gravuren verzierten Sarkophargs des mächtigen Herrschers Pakal.

Der Pool bei den Cabañas Kin Balam sorgt am Nachmittag für die ersehnte Abkühlung.

Die nächste Nacht verbringen wir wieder im Reisebus. Wir bleiben in der südlichen Provinz Chiapas, verlassen aber das tropische Flachland und fahren in die Berge nach San Cristóbal de las Casas.

Nach dem heissen Wetter der letzten Wochen erwartet uns eine ungewohnt kühle Luft. Die Höhe von 2100 Meter über Meer ist deutlich spürbar. Nach einer wärmenden Tasse Kaffee geht’s ins Rossco Backpackers Hostel, eine Art Jugendherberge mit grünem Innenhof.

Nach zwei Nächten sind die Etagenbetten im 10er-Schlafsaal ausgebucht. Also ziehen wir in ein französisches Bed- und Brackfast um. Auch hier gibt es keine Betten mehr im Dorm, dafür ein günstiges Doppelzimmer mit Gemeinschaftsbad.

San Cris, die Kurzform von San Cristóbal de las Casas, ist ein charmantes Kolonialstädtchen. Viele herzige Cafes und Bars, einstöckige, bunte Häuser und lebhafte Fussgängerzonen verleihen dem Ort eine gemütliche und entspannte Atmosphäre.

In den schmalen Gassen tummelt sich ein ganz witziger Mix aus Menschen aus aller Welt. Nebst der indigenen Bevölkerung ist alles von Hippies über Aussteiger zu Luxusreisenden, Backpackern und Auswanderern, Strassenkünstlern und –verkäufern anzutreffen. Entsprechend vielfältig ist auch das kulinarische Angebot. Nebst der mexikanischen Küche gibt es vegane Restaurants, ein libanesischer Falafel-Stand, französische Bäckereien und sogar eine holländische Pommesbude 😉

Wobei der meist gut betuchte Tourist auf die Ärmsten im Land trifft. In Mexiko soll es die extremsten Einkommensunterschiede von ganz Lateinamerika geben. Hier in Chiapas sind die Nachkommen der alten Maya oft von Armut betroffen. Die indigenen Frauen mit ihren Kindern schleppen von morgens früh bis abends spät Schals, Ponchos und bestickte Blusen durch die Strassen. Junge Mädchen verkaufen selbstgemachte Herzen und die Jungs putzen Schuhe. Dass die Kinder hier blos fünf Jahre zur Schule gehen und so früh arbeiten müssen, bedrückt uns sehr. Doch die jungen Mütter machen uns auch grossen Eindruck. Sie strahlen eine solch grosse Ruhe aus, sodass ihre Kinder, die sie immer bei sich haben, ganz ausgeglichen und geborgen scheinen und kaum quengeln oder weinen.

Die Folgen des grossen Erdbebens vom 8. September 2017 an der Küste von Chiapas sind auch in San Cris zu sehen, wobei vor allem Kirchen und Amtsgebäude abgesperrt und eingerüstet sind. So findet der Gottesdienst momentan unter einem Festzelt auf dem Platz vor der Kathedrale statt.

Während es an manchen Tagen dank Sonnenschein angenehm warm ist, ists an anderen ganz schön regnerisch und windig. Gegen die kühlen Temperaturen hilft Tee trinken und für Vitame sorgen leckere, frisch gepresste Orangensäfte am Strassenrand. Am Markt gibt es zudem herrliche Früchte, viel Gemüse, Kräuter und Chilis und natürlich Taco-Stände. Auch der liebevolle und bunte Kunsthandwerks-Markt gefällt uns sehr.

Wir treffen die Weltreisenden Fabiola und Sebastian wieder, die wir im Hostel in Mérida kennengelernt haben. Zusammen verbringen wir gemütliche Tage, besuchen das Maya-Natur-Medizin-Museum und eine tolle Wein- und Tapas-Bar.

Da das trübe Wetter anhält, besuchen wir noch in ein paar weitere Museen. Im Museo del Ámbar dreht sich alles um Bernstein, den es im Bundesstaat Chiapas preiswert zu kaufen gibt.

Nebst Bernstein gibt es in Chiapas reichlich Jade, von hell bis dunkel grün. Im Museumspreis inbegriffen ist zudem das Cacao-Museum.

Zu guter Letzt darf das Museum Na Bolom nicht fehlen, das Haus der Schweizerin Gertrude Duby-Blom und ihres dänischen Ehemanns Frans Blom. 1901 im Berner Oberland geboren, fochte Gertrud „Trudi“ Lörtscher für Frieden und Gerechtigkeit und engagierte sich in der Widerstandsbewegung gegen Nazi-Deutschland. Nach einer Internerierung in Frankreich, wanderte sie nach Mexiko aus und verbrachte mehr als die Hälfte ihres Lebens in San Cristóbal. Als Journalistin, Fotografin, Sozialistin und Umweltschützerin dokumentierte Trudi mit ihrem Mann die Mayakulturen von Chiapas und setzte sich besonders für den Stamm der Lacandonen ein. Ein Volk, dass sich jahrhundertelang der Zivilisation fernhalten konnte, dessen Lebensgrundlage durch die Abholzung der Tropenwälder aber stark gefährdet ist. 1993 starb Trudi Blom, doch ihr Lebenswerk lebt als Museum und Studienzentrum weiter.

Nebst all den Museen nehmen wir an einer super interessanten Free-Walking-Tour teil, bei der wir wieder andere Rucksack-Reisende kennenlernen.

Zusammen mit der Belgierin Laura, die wir ebenfalls in Mérida kennengelernt haben, buchen wir eine Tour zu den benachbarten Indígena-Dörfern San Juan Chamula und Zinacantán. Die Einwohner dieser Dörfer sind stark autonomiebestrebte Tzotzil-Maya, die bis heute ihre ganz eigenen Bräuche und Glaubensvorstellungen leben. Auf dem Friedhof in Chamula zeigt sich der bescheidene Wohlstand der Menschen in der Einfachheit der Bestattung. Die Farbe der Holzkreuze steht für das Alter der Verstorbenen – Schwarz für über 50-Jährige, Grün für unter 50-Jährige und Weiss für Kinder. Bei den Familiengräbern sind mehrere Kreuze hintereinander aufgereiht. Die dahinterliegende Kirche ist eine Ruine und wird von den Tzotzil für Rituale verwendet.

Die meisten Dorfbewohner leben in einfachen Behausungen, vom Verkauf von Kunsthandwerk oder der Landwirtschaft. Einige haben das Glück, Familienmitglieder im Ausland, meist in den USA, zu haben, die ihnen Geld schicken.

Die Dorfkirche San Juan Bautista sieht von aussen wie eine normale, katholische Kirche aus. Ein Blick ins Innere verrät aber anderes, wobei das Fotografieren streng verboten ist. Anstelle von Sitzbänken ist der Boden mit Kiefernadeln bedeckt. Menschen hocken und knien in Gruppen am Boden. Von der Decke hängen bunte Tücher als Symbol, dass wir uns insgeheim in einem Tempel und nicht in einer Kirche aufhalten. Medizinmänner und -frauen murmeln Gebete. Vorsichtig schleichen wir zwischen den Betenden umher. Der Geruch von Weihrauch und Kopal hängt in der Luft und Hunderte Kerzen flackern. Weisse Kerzen sind zum beten, farbige sollen Probleme und Sorgen lindern und dunkle helfen bei ernsthaften Problemen. Bei schwerwiegenden Problemen ist meist noch ein Huhn in einem Sack oder einer Tasche dabei, das während des Rituals geopfert wird. Während des Schamanenrituals wird zudem Posh, hochprozentiger Alkohol, getrunken. Damit die bösen Geister dem Körper entweichen, muss zum Schluss des Rituals gerülpst werden. Früher mithilfe von Cacao, heute mit Coca Cola. Die unglaublich geheimnisvolle Stimmung und die für uns kurligen Rituale beeindrucken uns sehr.

Im Dorf Zinacantán sehen wir uns zwei Kirchen an, wovon eine vom Erdbeben in Mitleidenschaft gezogen wurde.

Zinacantán ist für die Zucht von Rosen und anderen Blumen sowie für die Herstellung von Textilien bekannt. Jedes Jahr hat die Tracht eine andere Farbe, dieses Jahr ist sie violett. Wir besuchen eine Textil-Frauenkooperative, die ganz ähnlich und genauso farbenfroh ist, wie diejenigen in Guatemala. Wir dürfen die traditionelle Kleidung, die vor allem von den Frauen auch im Alltag getragen wird, anprobieren.

So würde dann also unsere Hochzeit à la Tzotzil-Maya aussehen 😉

Zu guter Letzt dürfen wir Posh, den selbstgebrauten Alkohol aus Mais, degustieren. Er ist dem Schweizer Schnaps sehr ähnlich und schmeckt uns ganz gut. Was für uns das Brot ist, ist für die Mexikaner die Tortilla. Zu fast jedem Gericht werden die runden Fladen gereicht, die traditionell auf dem Comal, einem Blech, über offenem Feuer erwärmt werden.

In Mexiko macht der Tod ein fröhliches Gesicht. Vor dem Tag der Toten, dem Día de los Muertos, sind grinsende Skelette, Totenköpfe und Särge aus Ton, Schokolade oder Zucker überall erhältlich. Makaber? Wahrscheinlich nur in europäischen Augen. Hier hat der Totenkult eine lange Tradition. Die Menschen glauben, dass die Seelen ihrer verstorbenen Angehörigen in der Nacht vom 1. (Allerheiligen) auf den 2. November (Allerseelen) zu Besuch kommen. In den Häusern errichten die Familien Altäre mit Gaben für die Gäste aus dem Jenseits, die freudig erwartet werden. Kerzen und Blumen weisen ihnen dabei den Weg. Lieblingsspeisen, Bier und Tequila, Zigaretten und was der Verstorbene im Leben sonst noch mochte, werden liebevoll um sein Foto angerichtet. Je nach Region sind die Familien zu Hause oder sie verbringen die Nacht auf dem Friedhof, um mit ihren Toten zusammen zu sein.

Die Gräber und Mausoleen auf den Friedhöfen werden liebevoll geputz, geschrubt, frisch gestrichen und mit Blumen dekoriert. Auf dem Friedhof von San Cris beobachten wir schmunzelnd, wie die Familien mit Campingstühlen zwischen den Gräbern picknicken. Wer sichs leisten kann, hat die Blasmusik mit dabei. Ein Friedhof mit Jahrmarkts-Stimmung, wo auch der Zuckerwatten- und Eisverkäufer nicht fehlen darf.

Wir fahren nochmals ins indigene Dorf Chamula, diesmal mit einem Kleinbus. Hier geht es noch traditioneller zu und her. Die Gräber sind anstelle von teuren Blumengestecken mit Kieferkries und orangen Ringelblumen bedeckt. Zum festlichen Anlass tragen die Tzotzil ihre Trachten. Die Schafsfellröcke der Frauen sind schwarz und die Ponchos der Männer weiss.

Mit dem Nachtbus fahren wir die nächsten 18 Stunden zurück nach Mérida. Wir freuen uns auf das Wiedersehen mit Elora. Die Französin, die in Mérida ein Praktikum in einem Architekturbüro macht, haben wir vor ein paar Wochen im Hostel kennengelernt. Zwischenzeitlich ist sie in die Wohnung von Carlos gezogen. Die beiden bieten uns Couchsurfing an, das heisst kostenfrei auf dem Sofa zu schlafen. Da Rudolphs Ersatzteile aus Deutschland noch nicht da sind, sind wir sehr dankbar darüber, nicht nochmals eine Woche Hostelkosten zu haben.

Mérida empfängt uns mit warmen Temperaturen und einem grossen Openair-Konzert anlässlich eines Halbmarathons.

Auch der Holländer Damon, der in einem Freiwilligenprojekt als Sportlehrer arbeitet, sehen wir wieder und dann kommt noch Sarah, eine deutsche Backpackerin, dazu. Zusammen verbringen wir gemütliche Abende.

Ja und dann probieren wir noch die mexikanische Spezialität Chapulines – knusprig geröstete Heuschrecken mit Salz und Limette. Das heisst, wir sind stolz, eine geschafft zu haben 😉

Da schmeckt uns ein Fisch doch besser. Mit Elora und Sarah geniessen wir nochmals einen Tag in Sisal am Meer.

Dann ist es soweit, nach vier Wochen ist Rudolph repariert und wir dürfen ihn endlich wieder abholen!

 

Mexiko – Im karibischen Paradies auf der Halbinsel Yucatán

Wundertüte Méxicooo – wir kommen! Kurz vor der Grenze steigt die Vorfreude auf das neue, uns noch so wunderbar unbekannte Land. Wie immer kribbelt es in uns. Wie immer… seit wir Ende Januar 2016 in Südamerika gelandet sind, haben wir mit Rudolph 28 Grenzen auf dem Landweg und drei Häfen passiert. Heute ist etwas Wehmut mit dabei, denn Mexiko ist unser siebzehntes und letztes Reiseland. Für die letzten belizischen Münzen gibt’s noch einen Wassermelonen-Saft aus der Plastiktüte. Mit dem neuen Stempel im Pass bekommen wir eine 6-monatige Aufenthaltserlaubnis und Rudolph dürfte sogar ganze zehn Jahre in Mexiko bleiben.

Mit einer Fläche von fast zwei Millionen Quadratkilometern ist Mexiko im Vergleich zu den Ländern Zentralamerikas riesig. Nochmals liegen weite Distanzen vor uns. Entlang karibischer oder pazifischer Küsten, durch den Dschungel und über das hohe Inland gehts in die karge Wüste des Nordens. Die letzten Wochen unserer Reise möchten auf der Halbinsel Baja California nochmals Kitesurfen, bevor wir Rudolph im Januar oder Februar 2018 ab Vera Cruz heimverschiffen. So der Plan. Noch sind wir davon weit entfernt und befinden uns auf der Halbinsel Yucatán im flachen, heiss-tropischen Südosten Mexikos.

Neues Land, neues Essen – und davon gibt’s in Mexiko reichlich. Wir freuen uns vor allem auf den Streetfood, auf die Imbissstände, die in den Strassen und Parks Tacos (kleine Maistortillas mit Fleisch), Quesadillas (Tortillas mit Käsefüllung), Tortas (Sandwiches), Marquesitas (knusprige Crêpe-Rollen mit Edamer-Käse) und vieles mehr verkaufen. Dazu werden diverse Salsas, zu denen immer eine feurige Chili-Sauce gehört, aufgetischt. Auch an Süssigkeiten mangelt es nicht. Von Nieve (Wasser-Eis) über frische Fruchtsäfte zu knusprig frittierten Churros gibt es alles. In den Bars wird zum Corona-Bier mit Limette meist ein kleiner Snack serviert. Auch Nachos, überbacken mit Käse, Fleisch und Bohnenpaste, stehen auf den meisten Speisekarten. Nur die Fajitas und Burritos – so lernen wir – seien eine US-texanische Erfindung und nicht wirklich traditionell mexikanisch.

In Bacalar starten wir unseren Mexiko-Trip mit einem leckeren Eis. Der kleine Supermarkt um die Ecke zaubert uns ein Lachen ins Gesicht, denn die Lebensmittel in Mexiko sind echt preiswert.

Auf dem Zócalo, wie die Hauptplätze in Mexiko’s Städten heissen, verbringen wir zwischen Touristen-Info-Häuschen und Polizeiposten die ersten Nächte. Bacalar ist hübsch und übersichtlich. Der Ort gehört zu den Pueblos Mágicos, den magischen Dörfern und Städten, die von der mexikanischen Tourismusbehörde für ihren Beitrag zum Schutz und zur Erhaltung des kulturellen Reichtums des Landes ausgezeichnet wurden.

Das Besondere an Bacalar ist die wunderschöne Lagune. Das Süsswasser in diesem Binnensee leuchtet in verschiedensten Blautönen, ist herrlich warm und glasklar. Wow, was für ein Traum!

Wie es der glückliche Zufall will, treffen wir die Argentinier Sabrina und Manuel mit ihrem VW-Bulli LaTina wieder. Die beiden haben wir in Medellín in Kolumbien kennengelernt und zuletzt zusammen mit Anja und Tobi auf der Insel Ometepe in Nicaragua getroffen.

Etwas nördlicher gelangen wir bei Mahahual ans karibische Meer. In diesem Paradies mit tropischen Temperaturen, weissen Sandstränden und türkisem Wasser fühlen wir uns nicht mehr als Reisende, sondern wie in traumhaften Sommer-Badeferien. Wir lernen das argentinische Paar Sole und Ariel kennen. Die Beiden sind mit ihrem VW-Bulli von Argentinien nach Alaska unterwegs. Gemeinsam erfreuen wir uns über den schönen, freien Stellplatz nebst dem Leuchtturm und die frische Brise des Meeres. Auch hier ist das Wasser glasklar und es gibt schöne, grosse Muscheln. Mahahual ist im Grunde ein verschlafenes Fischerdorf. Wenn aber die Kreuzfahrtschiffe anlegen, verwandelt sich der Ort in eine touristische Hochburg. Souvenirverkäufer strömen herbei, Gartenstühle werden rausgestellt und die Preise kurzfristig um ein Zigfaches angehoben.

Im Departement Quintana Roo befindet sich an der Ostküste, südlich von Cancún, die Riviera Maya. Sie gehört zu den beliebtesten Reisezielen Mexikos. In Tulúm stehen wir eine Nacht beim Hostel Casita Linda.

Verschwitzt erwachen wir mit den ersten Sonnenstrahlen. Die heisse Luft steht im Bus. Umso mehr freuen wir uns, als wir für die nächsten Nächte eine Parklücke direkt an der Meeresfront finden. Meeresblick aus dem Wohnzimmer und ein riesiges Schwimmbad direkt vor der Tür 🙂

Nervös und kribbelig vor lauter Aufregung sitze ich auf dem Beifahrersitz. Meine Eltern kommen zu Besuch und haben uns für ein paar Tage ins Hotel eingeladen. In Playa del Carmen fahren wir dann endlich durchs Tor des Hotels Ríu Tequila. Die Freude über das Wiedersehen nach so langer Zeit ist super gross und wunderschön!

Wir tauchen in eine andere Welt ein. Wie kleine Kinder erfreuen wir uns über die vielen Vornehmlichkeiten eines All-inclusive-Hotels.

Dann werden wir auch noch mit Schoggi und Fondue aus der Heimat verwöhnt. Zudem sind Mama und Papa tatsächlich mit einer Golftasche angereist. Nicht etwa, weil sie golfen, sondern weil sie zwei neue Kiteboards, die wir bestellt haben, da sie in Europa viel günstiger sind, für uns im Gepäck haben. Wie gut, dass das Hotelbett so gross ist, um sie gleich zu testen 😉

Zu viert erfreuen wir uns des karibischen Meeres und der Sonne. Ausser ein paar heftigen Regenschauern, die für die Zeit ganz normal sind, sind wir vom Hurrikan Irma, der unweit von uns über die Karibikinseln tobt, und dem Erdbeben im südlichen Bundesstaat Chiapas zum Glück nicht direkt betroffen.

Zugegeben, die immense Auswahl an Essen am Buffet überfordert uns schon etwas, wobei die Freude und der Genuss über die vielen Leckereien mindestens so gross ist.

Auch das Animationsteam gehört zum All-in-Paket. Beim Bingo-Spiel setzen wir aus, doch die Abendshows lassen wir uns dann doch nicht entgehen. Während wir den Klängen mexikanischer Mariachi-Musik lauschen oder eine Maya-Darbietung verfolgen, hilft der Tequila der Verdauung.

Zusammen mit Rudolph unternehmen wir ein paar Tagesausflüge.

Wir starten mit etwas Action. Auf der Suche nach dem schiefen Leuchtturm von Puerto Morelos landen wir in einer Sackgasse. Der Weg ist überschwemmt und im Fluss nebst der Strasse baden Krokodile und Schlangen.

Zurück im Dorf finden wir den Leuchtturm dann doch noch und geniessen die gemütliche Stimmung am kleinen Fischerhafen.

Im Gegensatz zu anderen Maya-Stätten war die Festungsstadt von Tulúm noch bewohnt, als die Spanier kamen. Die Bauten sind nicht sonderlich grandios und es gibt auch keine hohen Tempel, dafür ist die Lage der auf einer brandungsumtosten Klippe thronenden Ruinen einzigartig spektakulär. Wir sind früh dran und geniessen die Anlage, die heute nur noch von den Leguanen bewohnt wird, noch vor den grossen Touristenmassen.

Eine Besonderheit auf der Halbinsel Yucatán sind die Cenotes. Unterirdische Kalksteinhöhlen, die teils gedeckt und teils offen gelegt sind und dessen Wasser kristallklar ist. Im Gegensatz zu einer Cenote, die wir vor ein paar Tagen besucht haben, wird die Cenote Cristalino südlich von Playa del Carmen nicht von grossen Reisecars angesteuert und so sind es ein paar Einheimische und wir, die ins eiskalte Wasser der malerischen, jadegrünen Cenote eintauchen und uns die Füsse von den Fischchen anknabbern lassen.

Schliesslich zieht es uns nochmals nach Tulúm. Diesmal wollen wir im Meer vor den Ruinen schnorcheln. Meeresschildkröten sichten wir leider keine, dennoch sind wir von der Unterwasserwelt fasziniert.

Zurück an Land gibt’s einen Apéro am schönen Playa Santa Fe.

Nach den wunderbar gemütlichen und erlebnisreichen Tagen ziehen wir wieder in den Bus. Vielen lieben Dank, Mama und Papa, für diese tolle Zeit!
Schon ziemlich cool… wir checken aus und ziehen noch auf dem Hotelparkplatz – zusammen mit dem neuen Golf-Bag 😉 – wieder in unser Zuhause ein 🙂

Am öffentlichen Strand Playa Delfines in Cancún stellen wir uns zwischen die prunken Hotels auf einen Parkplatz und gehen nach dem vielen Essen mal wieder joggen.

Cancún ist gepflegt und modern, doch uns zieht es weg vom Tourismus. Im kleinen Fischerdorf El Cuyo an der Nordküste Yucatáns vermischt sich das karibische Meer mit dem Golf von Mexiko. Das Wasser ist nicht mehr ganz so kitschig, dafür ist’s tranquilo, das heisst ruhig und sicher. Wir finden einen schönen Platz direkt am Meer. In Mexiko ist es erlaubt, an öffentlichen Stränden frei zu campen. Die Dorfpolizisten sind sehr freundlich und schauen zwei Mal täglich bei uns vorbei, sonst haben wir den kilometerlangen Strand fast für uns alleine.

Wir erleben, wie der Hurrikan Irma seine Spuren bis hierher hinterlässt. Der Wasserstand ist ungewöhnlich hoch und an den sonst sauberen Strand schwemmt es Dreck an. Unzählig viele Muscheln, Krebse, Seeigel und –sterne und sogar Schildkröten verfangen sich in den Algen und verenden auf dem Strand. Ein trauriger Anblick. Während Thomas versucht, so viele Meeresbewohner wie nur möglich zu retten, sammeln die Polizisten die Muscheln für ihr Mittagessen.

Eine Baby-Meeresschildkröte hoffen wir dann doch noch gerettet zu haben.

Im Dorf dürfen wir unseren Wassertank zum Duschen und Geschirr spülen beim Polizeiposten auffüllen.

In Mérida, der Hauptstadt des Bundesstaates Yucatán, haben wir Glück und finden beim Hostel La Ermita einen chilligen Stellplatz, wo wir mal wieder in Kontakt mit Backpackern kommen. Die Temperaturen sind tagsüber sehr heiss und so ist der Pool das grosse Hostel-Highlight.

Mitte September feiert Mexiko die Unabhängigkeit von Spanien. Am Abend zuvor finden auf Méridas Zócalo Konzerte statt. Beim Feuerwerk ist man hier nicht so zimperlich. Man könnte meinen, der Goldregen lande fast auf unseren Köpfen.

Die meisten der historischen Gebäude rund um den Zócalo wurden von den Spaniern aus den Steinen zerstörter Maya-Pyramiden erbaut. Das heutige Mérida ist bekannt für ein grossartiges, kulturelles Unterhaltungsprogramm. Täglich finden kostenlose Shows und Veranstaltungen statt. Wir verköstigen das regionale Essen und geniessen den quirligen Markt und die belebten Gassen. Dass hier Jeder etwas auf der Strasse verkaufen darf und aus den meisten Läden lautstarke Musik ertönt, ist wohl etwas, was wir zurück in der Schweiz vermissen werden, denn irgendwie ist uns dieses Chaos ganz schön ans Herz gewachsen.

In den Parks werden mexikanische Folklore-Tänze vorgeführt. Der für Mérida typische Tanz La Jarana, bei dem die Tänzer Bierflaschen auf ihren Köpfen balancieren, imponiert uns.

Nördlich von Mérida liegt Progreso mit der angeblich längsten Mole der Welt. Auf der östlichen Seite dieses Hafendamms befinden sich viele Restaurants und Bars und tummeln sich die Kreuzfahrttouristen. Der Strand westlich der Mole scheint für den Tourismus uninteressant. Hier finden wir den nächsten paradiesischen Stellplatz! Das Beste: jeden Nachmittag zieht Wind auf. Perfekt, um die neuen Boards zu testen. Weiter unten in der Bucht gibt es noch andere Kiter und ab und zu fahren ein paar Fischer mit ihren Holzbooten raus. Nur um einzukaufen oder Wasser bei der Tankstelle aufzufüllen, fahren wir in den Ort, sonst verbringen wir die nächsten Tage an diesem friedlichen Strand.

Weniger günstig fällt der Besuch in der Mercedes-Werkstätte zurück in Mérida aus. Seit einer Weile können wir Rudolph, vor allem wenn es heiss ist und das ist es momentan eigentlich immer, nicht mehr starten. Das Sprühen eines Silikon-Sprays hat bisher geholfen, ist aber natürlich keine dauerhafte Lösung. In der Garage ist man sich sicher. Wir müssten die Kraftstoffpumpe ersetzen. Ein teures Ersatzteil, dass in Mexico-City bestellt werden muss, was ein paar Tage dauern wird.

Doch halb so schlimm. Via Chuberná Puerto, wo sich eine Flamingo-Kolonie in der salzigen Lagune tummelt, fahren wir zurück an unser schönes Plätzchen in Progreso.

Wir haben nochmals viel Spass und kiten bis zum Sonnenuntergang.

Freitags fahren wir wieder in die Garage. Mit der neuen Kraftstoffpumpe springt Rudolph tatsächlich wieder an. Das Problem schein gelöst zu sein. Wegen eines Lecks soll aber noch das Öl in der Gangschaltung überprüft werden. Der Mitarbeiter, der das Öl wechseln kann, ist heute aber krank. Wir müssen am Montag nochmals vorbei kommen. So fahren wir übers Wochenende wieder an die Küste, diesmal ins kleine Fischerdorf Sisal. Während wir am langen Strand spazieren und schwimmen, fliegen uns die Pelikane über die Köpfe. Ein Fischer berichtet uns stolz, wie besonders die Region im Nordwesten der Halbinsel Yucatán sei. Vor 66 Millionen Jahren sei hier ein Asteroid oder Komet eingeschlagen, der zum Aussterben der Dinosaurier beigetragen haben soll. Der Fischer schwärmt davon, wie es in den Meerestiefen am Kraterrand nur so von Fischen wimmle. Tatsächlich lesen wir später, dass der sogenannte Chicxulub-Krater mit einem Durchmesser von rund 180 und einer Tiefe von 10 Kilometern zu den grössten der Welt gehört und die  Forschungsarbeiten am Krater noch immer im Gange sind.

Im Restaurant Palapa de Seco gibt’s feinen Fisch und Calamares. Während beim typisch mexikanischen Cocktail Chelada dem Bier Limetten-Saft und Eiswürfel beigemischt werden und der Glasrand gesalzen wird, ist die Michelada etwas gewöhnungsbedürftiger. Hier kommt zusätzlich eine Chili- und Worcester-Sauce, die wie eine Barbecue-Sause schmeckt, ins Glas. Na ja, interessant, doch irgendwie bevorzugen wir dann doch das Bier aus dem Fläschchen.

Leider stellt sich übers Wochenende heraus, dass die eingebaute Pumpe das Start-Problem doch nicht behoben hat. Nach einigem Hin und Her, ein paar Diskussionen und gekränktem Latinostolz findet man in der Garage schliesslich heraus, dass der Anlasser defekt war. Auch wenn mit Mehrkosten verbunden, sind wir am Ende froh, dass Rudolph wieder anspringt. Dann wäre da aber ja noch der Ölverlust. Nach dem Ölwechsel in der Gangschaltung teilte man uns mit, dass nicht viel Öl verloren ging. Wir könnten problemlos so weiterfahren. Dummerweise macht die Schaltung aber zunehmend Probleme und fällt regelmässig ins Notlauf-Programm. Da man das Halbautomatik-Getriebe des Sprinters hier nicht kennt, fragen wir bei unserer Werkstatt in der Schweiz nach. Man tippt auf einen defekten Schaltsensor oder dann – das grössere Übel – auf eine defekte Hydraulikpumpe. Wir bestellen erstmal den Sensor und fahren nochmals zurück ins Hostel La Ermita, wo wir nochmals eine super lustige Zeit mit anderen Reisenden erleben.

Das Problem mit Gangschaltung lag nicht am Sensor. Nach weiteren Elektro-Tests und einer Nacht im Garagengelände, finden wir schliesslich heraus, dass gar kein Getriebe- sondern Hydrauliköl verloren ging und dies in weit grösseren Mengen als gemeint. Nach dem Auffüllen läuft glücklicherweise alles wieder wie geschmiert. Damit aber nicht weiterhin Öl verloren geht, müssen Schläuche und eine Wanne ersetzt werden. Leider gibt es die hier nicht und so müssen wir auf die Anlieferung aus Deutschland warten, was mindestens drei Wochen dauern wird.

Da wir uns bereits einen Monat in und um Mérida aufhalten und die Windprognosen für die nächsten Tage in Progreso schlecht aussehen, packen wir kurzerhand unsere Rucksäcke und kaufen ein Ticket für den Nachtbus nach Palenque. Rudolph können wir bei der Mercedes-Garage sicher unterstellen. Wir freuen uns, dass es weiter geht und auf ein neues Abenteuer!

 

Ein kurliger Multikulti Mix, Traumstrände und verborgene Ruinen – Belize

„Oh wow, that’s a real house, man!”
Bei der Fahrzeuginspektion durch den Zollbeamten von Belize müssen wir uns das Lachen ziemlich verkneifen. “There is a bathroom, hey man, i love this car”, oh ja, auch wir lieben Rudolph. „How much? I need one, i wana buy one“, spätestens jetzt kommen wir uns wie in einer US-amerikanischen Sendung alla Pimp my Ride vor. Ans Englisch, dann noch so salopp, müssen wir uns doch erstmals gewöhnen.
Als ehemalige britische Kronkolonie ist Belize das einzige Land Zentralamerikas, in dem die offizielle Sprache Englisch ist. Erst 1981 erlangte das einstige Britisch-Honduras unter dem neuen Namen Belize die Unabhängigkeit. Nach den dunkelhäutigen Grenzbeamten wollen wir zu den weissen Männern in Latzhosen. Den Mennoniten sind wir bereits im Chaco von Paraguay begegnet. Auch in Belize gibt es verschiedene Kolonien der protestantischen Freikirchler. Sie sind berühmt für ihre landwirtschaftlichen Erzeugnisse und – für uns der Grund, um dorthin zu gehen – guten Käse. Die Gemeinde Spanish Lookout befindet sich auf der anderen Seite des Belize Rivers. Eine Brücke gibt es, allerdings einige Kilometer entfernt. Dort, wo das Navi uns rüber schicken will, finden wir eine putzige, handbetriebene Fähre vor. Die Überfahrt mit dem Floss ist ganz witzig, noch dazu kostenlos und inklusive einem Joint rauchenden Kapitän, der uns in Belize fröhlich willkommen heisst.

War Guatemala doch noch so voller indigener Kultur, ist hier alles ganz anders. Viele Belizer fühlen sich zu den USA hingezogen und identifizieren sich stärker mit dem Lebensstil der Karibikinseln, als mit derjenigen Zentralamerikas. Entlang des Western Highways stehen grosse Häuser auf riesigen Anwesen mit perfekt gepflegtem Rasen. Wann haben wir eigentlich zuletzt private Rasenmäher gesehen? Vor der Tür steht ein Ami-Schlitten und vor den Restaurants ein grosser Grill. Nicht etwa eine Parilla, nein hier heisst es natürlich BBQ.
Doch Belize ist weit mehr als ein US-Verschnitt. Innerhalb der kleinen Landesfläche von etwa der halben Schweiz beherbergt Belize ein kurliger Mix verschiedenster Ethnien und Sprachen. Nebst den Mestizen, Menschen, mit spanischer und indigener Vorfahren, gibt es die Kreolen, die Nachfahren afrikanischer oder karibischer Sklaven und britischer Piraten. Auch die Garifuna, die vorwiegend an der Küste leben, haben westafrikanische Wurzeln, gemischt mit karibischen Indio-Stämmen. Sie sprechen eine einzigartige Mischung aus karibischen und afrikanischen Sprachen, angereichert mit ein bisschen Englisch und Französisch. Daneben gibt es noch die Mennoniten, die ein altes Niederplattdeutsch sprechen und die Maya, die im wesentlichen drei Stämmen mit unterschiedlicher Sprache angehören. Doch damit nicht genug. Der Rest der Bevölkerung – die insgesamt aus nur rund 355’000 Menschen besteht – verteilt sich auf Europäer, US-Amerikaner und Kanadier, Zuwanderer aus anderen Ländern Mittelamerikas, Araber, meist Libanesen, aber auch Palästinenser und Syrer, ferner noch Inder, Taiwaner und Chinesen.

Komisch, das Dorf Spanisch Lookout ist wie ausgestorben. Der Farmer-Shop hat geschlossen. Wir haben ganz vergessen, dass heute Sonntag ist und, während sonst in Lateinamerika die Läden auch am Sonntag geöffnet haben und die Strassen fast noch voller sind, bei den Mennoniten der Sonntag tatsächlich ein Ruhetag ist.

Belize besteht grösstenteils aus tropischem Tiefland und es ist praktisch immer heiss und feucht. Fast 40 Prozent der Landesfläche steht unter Naturschutz. Im Vergleich zu seinen Nachbarländern ist Belize ein teures Reiseland. Doch es gibt auch Dinge, die sind umsonst, so ein südlich des Western Highways gelegenes Naturreservat zum Schutz des Pinienwalds. Auf roten Pisten düsen wir durch den Nadelwald, an kleinen Flüssen und Wasserfällen vorbei. Am Big Rock Fall fliehen wir vor den vielen kleinen Stechfliegen und lassen uns stattdessen die Füsse lieber von Fischchen im Fluss anknabbern.

Oberhalb eines Flusses mit mehreren Wasserfällen finden wir einen friedlichen Übernachtungsplatz.

Die Namen der Flüsse und Höhlen wie Río on Pools oder Río Frio Cave wiederspiegeln den englischen und spanischen Sprachmix. Río Frio Cave ist eine 1,5 Kilometer lange Höhle mit Fledermäusen, durch die ein kalter Fluss fliesst.

Zurück in Spanish Lookout schlendern wir schmunzelnd durch das Farmers Trading Center. Wir entdecken Sachen wie Ovomaltine, Sauerkraut und Essiggurken. Nur der Käse lässt hier leider zu Wünschen übrig. In unserem Einkaufskorb landen stattdessen Haribo Gummibärchen, eine Packung Würste, frischer Blattsalat und eine Büchse Ravioli 😉

Wir besichtigen die Marie Sharp’s Hot Sauce Factory. Seit 1981 werden in der kleinen Fabrik feurige Saucen nach Marie’s Hausfrauen-Rezept aus Haberno-Chilis mit weiteren natürlichen, regionalen Zutaten hergestellt. Die Saucen sind nicht nur in Belize heiss beliebt, sondern werden auch exportiert und selbst in die Schweiz ausgeliefert.

Wir gelangen an die rund 380 Kilometer lange Karibikküste, vor der unzählige Inseln, sogenannte Cayes, ein grosses Korallen-Riff und das berühmte Blue Hole liegen. Bei der Ortschaft Riversdale finden wir zwischen ein paar Villen von US-Amerikanern und Kanadiern einen grandiosen Stellplatz. Die Einheimischen erklären uns, dass das Grundstück öffentlich sei. Es sei sicher, heisst es. Das gefährlichste seien giftige Schlangen im Gebüsch und Stachelrochen am Meeresboden. Davon wollen wir uns aber die Freude an unserem privaten Beachfront-Camping nicht nehmen lassen!

Eine geradelinige Strasse führt uns in den tiefen, regenreichen Süden, wo vor allem die Maya und Garifuna leben. Die drei Hauptverbindungen, der Western, Southern und Northern Highway, sind geteert und verbinden die acht Städte des Landes. Die übrigen Strassen in Belize sind quasi unbefestigte Slowways. Auffällig ist, dass es praktisch keine Verkaufsstände oder Strassenhändler entlang des Weges gibt. Jeder scheint etwas Mais, Bohnen, Maniok oder Bananen für den eigenen Bedarf anzupflanzen. Grössere Supermärkte sind äusserst rar. Will man in Belize einkaufen, so geht man zum Chinesen, denn die kleinen Lebensmittelgeschäfte, liegen fest in chinesischer Hand.

Mit den verschiedenen Kulturen unterscheiden sich auch die Baustile der Hütten und Häuser, manche sind aus Stein oder Beton und andere aus Holz oder Stroh.

Das Fischer-Städtchen im Süden nennen die Einheimischen lässig PG, eine Abkürzung für Punta Gorda. PG wurde von den Garifuna gegründet, die 1823 aus Honduras einwanderten. Hinter einem kleinen Haus am Meer werden Kakao-Bohnen in einem Ofen getrocknet und geröstet. Die Mühle, in der die braunen Böhnchen geschält werden, wird von einer Bohrmaschine angetrieben und die Schalen werden anschliessend während 25 Minuten mit einem Haarföhn weggeblasen. Simpel und originell! Seit sieben Jahren stellen die vier Mitarbeiterinnen der Fabrik Cotton Tree Chocolate knusprig, leckere Schokolade her. Wir lassen uns einige Stücke auf der Zunge zergehen und decken uns mit ein paar Tafeln ein. Im Anschluss besuchen wir einen Familienbetrieb, der Schokolade nach alter Maya-Art herstellt. Eine Tour gibt es heute leider nicht, dafür dürfen wir fast alle Sorten probieren. Würzig dunkle Schokolade fast ohne Milch, mit Chili, Kokosnuss, Zimt oder Kardamom.

Mit zwei Bäuchen und einem Kühlschrank voller Schokolade fahren wir wieder nordwärts. Wir nehmen Kevin, einen jungen Autostöppler mit. Er erzählt uns von seiner Arbeit in der Orange-Juice-Fabrik. Gerade hat er Ferien und ist am Geld sammeln für seine Fussballmannschaft. Südlich von Riversdale fahren wir auf die lange, schmale Halbinsel Placencia. Es ist die einzige Caye, die mit dem Auto erreichbar ist. Die von Palmen gesäumten Strände der Ostseite locken Touristen auf der Suche nach Sonne und Meer an.

Auch wir wollen ein paar Tage Sonne, Strand und Faulenzen. Bei den Kanadiern Shane und Bruce werden wir fündig. Das Paar ist vor fünf Jahren nach Belize ausgewandert und hat ein liebevoll gepflegtes Paradies mit Sandstrand und Pool, einem Restaurant mit Meeresblick und Suites erschaffen. Da Shane und Bruce selbst Camper sind, dürfen wir kostenfrei auf dem Parkplatz stehen. Wir fühlen uns wie in den Ferien. Verwöhnt mit leckerem Essen und eiskaltem Belikin-Bier lassen wir die Seele mal wieder baumeln und die Eindrücke der letzten Wochen sacken.

Die Ruhe könnte schon bald von einem tropischen Wirbelsturm, der gerade in Richtung belizische Küste zieht, gestört werden. Von Juni bis November ist Hurrikan-Saison, wobei die aktivsten Stürme von September bis November toben. 1961 zerstörte ein Hurrikan die damalige Hauptstadt Belize City, woraufhin Belmopan im Landesinnere gegründet und zur Hauptstadt wurde. 2010 wütete Hurrikan Richard und 2016 Earl übers Land. Nebst aktuellen Hurrikan-Meldungen befassen sich die belizischen Tageszeitungen durchgehend mit Verbrechen, bewaffneten Überfällen, Schiessereien, Morden und der Drogenkriminalität. Man könnte meinen, wir befänden uns in einem Gangsterfilm, doch in Wahrheit bekommen wir von all dem nichts mit über.

2017-08-19 046 News in Belize

Auf halbem Weg zwischen Belize City und Belmopan befindet sich der Belize Zoo. Mehr eine Auffangstation als ein Zoo ist er bei Einheimischen wie Touristen sehr beliebt. 1983 wurde das Refugium gegründet, um eingefangene Wildtiere nach Drehschluss einer Dokumentationsserie über den tropischen Regenwald hier zu stationieren. Inzwischen sind weitere Tiere dazu gekommen. Sie wurden entweder verletzt aufgefunden oder stammen aus anderen Zoos oder Beschlagnahmungen illegaler Tierhaltungen. Der Belize Zoo versteht sich als Bildungszentrum zur Sensibilisierung und Aufklärung über die heimische Tierwelt. Der Nationalvogel in Form des farbenprächtigen Tukans ist ebenso vertreten, wie der elegante Jaguar, die Brüll- und Klammeraffen mit ihren putzigen Jungtieren, die Ozelot-Kleinkatze, Pelikane, Krokodile und verschmuste Tapire.

Im Norden von Belize befindet sich im Dschungel die Maya-Stätte Lamanai. Zwar wären die Ruinen auch mit dem Fahrzeug erreichbar, doch eine Bootstour scheint uns spannender. Bei den Anbietern Eco Tours dürfen wir im Gegenzug gratis stehen. „Bleibt solange ihr wollt“, meint Errol, der Besitzer freundlich. Wir dürften die Hängematten, das WiFi, die Toiletten und eine Dusche benutzen und im Fluss baden. Letzteres trauen wir uns dann doch nicht, obschon wir wissen, dass Menschen nicht auf dem Speiseplan der sich hier tummelnden Krokodile stehen.

Mit dem humorvollen Guide Eddie und ein paar anderen Touristen geniessen wir eine amüsante Bootsfahrt auf dem New River. Wir begegnen vielen Vögeln, einem Baby-Klammeraffen, einem giftgrünen Leguan, freundlichen, lokalen Fischern und Mennoniten.

Am Rande einer Lagune im New River liegt, versteckt im dichten tropischen Regenwald, das archäologische Schutzgebiet. Lamanai bedeutet in der Sprache der Maya soviel wie untergetauchtes Krokodil. Die Stätte wurde während rund 3‘000 Jahren bewohnt und gehört damit zu den längsten kontinuierlich besiedelten. Im Gegensatz zu den meisten anderen Maya-Stätten war sie auch noch bewohnt, als die Spanier im 16. Jahrhundert nach Belize kamen. Bis heute ist ein Grossteil der Ruinen noch nicht ausgegraben und restauriert. Trotz schweisstreibender Temperaturen steigen wir die steilen Treppen zu den hohen Tempelanlagen auf und werden mit einem grandiosen Panorama belohnt. Zurück auf dem Boden entdecken wir eine Tarantel versteckt in einem Loch. Wir erfahren, dass diese gar nicht so gefährlich ist, wie uns irgendwann mal beigebracht wurde. Kleine giftige Schlangen oder Spinnen können weit Schlimmeres anrichten. Ein Biss der Vogelspinne ist zwar schmerzhaft, aber man überlebt ihn. Wir tauchen weiter in die Welt der frühen Maya ein. Die bedeutendste Hochkultur Mesoamerikas hatte eine streng hierarchische Gesellschaftsstruktur und eine nicht weniger komplexe Götterwelt. Sie verfügten über eine voll entwickelte Schrift, waren grossartige Mathematiker und besassen verblüffend exakte astronomische Kenntnisse. Noch vor den Hindus und Arabern erfanden und verwendeten die Maya die Null als Zahl. Sie hatten drei Kalender-Systeme, welche mit den religiösen, sozialen und wirtschaftlichen Vorgängen im Leben verbunden waren. Der Sonnenkalender Haab hat 18 Monate mit 20 Tagen. Um auf die notwendigen 365 Tage zu kommen, wurde ein Kurzmonat von fünf Tagen angehängt. Das Sonnenjahr wurde mit dem Ritualkalender Tzolkin kombiniert. Die beiden Systeme griffen dabei wie ein grosses und ein kleines Zahnrad ineinander. Erst nach 52 Jahren findet man die gleiche Datums-Kombination wieder, was für die Maya das Ende einer Epoche markierte und als unheilvoll angesehen wurde. Der dritte Kalender war derjenige der Langen Zählung, der mit dem Tag Null am 10. August 3114 vor Christus begann und am 21. Dezember 2012 endete.

Während des Mittagessen regnet es plötzlich wie aus Kübeln. Jeweils vor und nach dem Regen ertönen die lautstarken Schreie der Brüllaffen. Wir steigen wieder ins Boot. Der Rum-Punsch, den wir zum Schluss der Tour bekommen, ist eiskalt und auch der Wind ist nach dem Regen frisch. In rasantem Tempo geht es zurück nach Orange Walk Town. Wir bleiben noch zwei Nächte, bevor unser letztes Reiseland vor der Tür steht. Wir freuen uns riesig, Méxicoooooo wir kommen!

Majestätische Pyramiden und winzige Orchideen – Guatemalas Mitte und Norden

So was wie ein Camper kennt man in Guatemala nicht und so sorgt das casita con ruedas – unser Häuschen mit Rädern – auch hier immer wieder für neugierige Blicke. Wir verlassen das südliche Hochland und fahren in die Landesmitte, hoch über die Berge und tief in die Täler runter, denn Tunnels oder Brücken gibt es keine.

Am Stadtrand von Cobán übernachten wir bei der Café Finca Chicoj. Hier im Zentralland gedeiht nebst dem Kaffee auch das edle Lebkuchen-Gewürz Kardamom.

Die Monja Blanca, die weisse Nonnen-Orchidee, ist die Nationalblume Guatemalas. Im Schutzgebiet Orquigonia bewundern wir ein paar der über 600 Orchideen-Arten, die in Guatemala blühen und von denen rund ein Drittel endemisch ist. Eine guatemaltekische Spezialität sind die ganz mickrig kleinen Exemplare, deren Blüten man fast nur unter der Lupe erkennt. Wir lernen, dass Vanille eine Orchidee ist, aus dessen Samenkapseln das Gewürz, also die Vanilleschote, die strenggenommen gar keine Schote ist, gewonnen wird. Wir beschliessen, die Besichtigung einer Vanille-Plantage auf unsere To-See-Liste zu nehmen, denn diese soll es in Mexico geben.

In der Innenstadt von Cobán stehen wir auf einem überwachten Parkplatz. Antonio, der mit seiner Frau und einem kleinen Sohn auf dem Platz wohnt, sorgt rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr für Sicherheit. Viel ist hier nicht los und so freut sich Antonio über einen Schwatz und Geschichten aus der Ferne. Das Geld ist immer knapp und die Freude riesig, als wir der Familie zum Abschied ein paar Lebensmittel wie ein Pfund Bohnen und Zucker schenken.

Wie in allen lateinamerikanischen Ländern sind auch die Menschen in Guatemala sehr religiös. Auf den Märkten ertönen die Worte der Prediger aus dem Megaphon. Am Strassenrand stehen Schilder wie Jusús sana, Jesus heilt. Kaum ein Bus ist nicht mit einem Christus kommt oder Christus lebt bestückt. Auch die Sicherheit im Strassenverkehr wird in Gottes Hand gelegt. Auf den Frostschutzscheibe liesst man oft Regalo de Dios, Geschenk Gottes, und hinten am Fahrzeug den  Aufdruck Dios me guía, Gott führt mich. Der Katholizismus ist die vorherrschende Religion in Guatemala, wobei evangelisch-protestantische Gemeinschaften immer mehr Anhänger finden. Die Missionare, die die Mayas im 16. Jahrhundert bekehrten, liessen auch Aspekte der alten animistischen, schamanischen Religionen zu, die so neben den christlichen Bräuchen bestehen blieben. Katholische Priester sind und waren besonders während des Bürgerkriegs offene Verteidiger der Menschenrechte. Die Bürger scheinen es ihnen zu danken. Heute Sonntag stehen und knien die Menschen nebst besetzten Bänken in der Kirche. Es ist so voll, wie bei uns nicht mal an Weihnachten und Ostern zusammen.

In Cobán findet diese Woche das grosse Folklorefestival Rabin Ajau statt. Wir schmunzeln, als wir der Strassen-Parade der Missen zusehen. Die Wahl von Schönheitsköniginnen ist in Guatemala sehr beliebt. Fast jede Firma hat ihre eigene oder gleich mehrere Missen. Auch der Pferde-Umzug am Sonntagnachmittag ist in unseren Augen ziemlich skurril. Es ist eine Show der Oberschicht. Weisse Cowboys, Mischlinge oder Nachkommen europäischer Auswanderer stolzieren auf ihren Pferden und präsentieren ihre fetten Jeeps. Sie demonstrieren die Elite, denen Geld, Macht und Land gehört.

Auf der anderen Seite des gesellschaftlichen Spektrums finden sich die indigenen Mayas wieder, die zwar mehr als die Hälfte der Gesamtbevölkerung ausmachen, aber bis heute in allen bedeutenden Bereichen des zivilen Lebens benachteiligt sind. Auf unserer Fahrt weiter Richtung Norden stehen Kinder und Jugendliche mit Schaufeln auf der Strasse und bitten um Geld für das Ausbessern von Schlaglöchern. Wir beschliessen, den Erwachsenen ein paar Münzen und den Kindern Wasser zu geben. In diesen entlegenen Gegenden kommen nicht viele Fahrzeuge vorbei. Ein eigenes Auto ist für viele Einheimische ein unerreichbarer Luxus. Im teils unwegsamen Gelände sind die wenigen Privatfahrzeuge meist Pickups, auf deren Ladefläche erstaunlich viele Menschen Platz finden.

Nach einigen heissen Fahrstunden sorgt der Pool beim Hostel del Viajero, unserem heutigen Stellplatz, für eine willkommene Abkühlung.

Wir besichtigen die kleine Festung von San Felipe de Lara, die von einer gepflegten Parklandschaft mit Bade- und Picknickstellen umgeben ist. Die Spanier erbauten im 16. und 17. Jahrhundert die Anlage, um Englische Piraten abzuwehren. Dies nützte allerdings nicht viel und die Festung wurde mehrere Male niedergebrannt. Nachdem die Piraten in der Karibik der Geschichte angehörten, dienten die massiven Wände als Gefängnis. Später wurde es aufgegeben und verfiel, bis die Ruinen 1957 liebevoll restauriert wurden.

Wir fahren in das ganz im Norden liegende, feucht-heisse Tiefland des Departements Petén. Auf halber Strecke machen wir bei der Touristenfarm Finca Ixobel in Poptún einen Zwischenstopp. Auf dem riesigen Gelände geniessen wir die entspannte Atmosphäre, hausgemachtes und ökologisches Essen und die Gesellschaft einer sympathischen Familie. Das deutsche Paar Christiane und Danny lebt mit ihren vier Kindern für ein paar Jahre in Puebla, südlich von Mexico-Stadt. Während ihren Sommerferien reisen sie durch Belize und Guatemala. Wir verstehen uns super und verabreden ein Wiedersehen in Mexico.

Am schönen Ufer des Petén-Itzá-Sees in Santa Elena feiern wir Thomas Geburtstag vom schönen Sonnenauf- bis zum –untergang 🙂

Die Insel Flores ist über einen kurzen Damm mit dem Festland verbunden und wird vom Tourismus dominiert. Im Parque Central erhebt sich die weissgetünchte Kirche, von dessen Turm wir einen tollen Blick über den Petén Itzá-See geniessen.

Da uns Flores dann doch zu touristisch ist, fahren wir ans östliche Seeufers, wo es im Seedorf El Remate entspannter zu und her geht. Der krönende Abschluss unserer Guatemala-Reise steht noch bevor: das Kultur- und Naturwunder Tikal. Frühmorgens geht’s los, wir sind die Ersten, denn wir haben das Ticket schon am Vortag gekauft. Das Spektakuläre an diesen Maya-Ruinen sind die riesigen Tempelpyramiden, welche das Urwalddach überragen. Die Maya glaubten, damit dem Himmel und den Göttern näher zu kommen. Von da oben geniesst man einen atemberaubenden Ausblick. Wir könnten stundenlang da sitzen und über die Baumkronen des Regenwaldes blicken, den süssen Klammeräffchen, bunten Papageien und Tukanen zusehen und den Rufen der Brüllaffen lauschen. Wie hat es hier wohl ausgesehen, als die Siedlung von 800 vor bis 900 nach Christus bewohnt war? Die gewaltige Dimension der steilwändigen Paläste erzeugt Ehrfurcht und Respekt vor dieser Zivilisation, die imstande war, ohne – so geht man heute davon aus – Eisenwerkzeug und das Rad solche Paläste zu erbauen. Irgendwann müssen wir dann doch runter, uns noch die restlichen Bauten, die im dichten Dschungel versteckt liegen, anschauen.

Bei einer kühlen Limonade lassen wir einen spannenden Tag, zusammen mit dem deutsch-holländischen Reise-Paar Birgit und Leo, ausklingen.

Guatemala war für uns ein absolutes Highlight. Ähnlich wie in Bolivien oder Peru werden hier noch alte Kulturen und Traditionen gelebt. Für uns ist Guatemala ein Land mit einem riesigen Facettenreichtum, farbenprächtigen Bildern und vielen fröhlichen Gesichtern. Die Menschen haben uns mit ihrer extrem hilfsbereiten, höflichen und gelassenen Art grossen Eindruck gemacht. Danke, liebes Guate!

 

Eine kunterbunt strahlende Welt – Guatemalas Süden

Bienvenidos en Guate! Der Grenzbeamte heisst uns mit einem breiten Grinsen willkommen. Wir freuen uns riesig, in die kulturreiche, kunterbunte Welt Guatemalas einzutauchen!

4×4 steht auf dem Strassenschild zum Vulkan Ipala. Ob und wo ein Vierradantrieb oder eine Untersetzung nötig wäre, ist eine beliebte Diskussion unter Overlandern. Der gute alte Rudolph hat beides nicht. Die Strecke ist steil und steinig, doch unser starker Kerl schafft es die Holperpiste hoch.

Der Vulkan Ipala ist kein typisch touristisches Ziel. Für uns ist es ein Ort, um gemütlich im neuen Land anzukommen. Am Kratersee erfreuen wir uns der friedlichen Natur und eines Picknickplatzes mit Grillstelle.

Wir dürfen nebst dem rustikalen Häuschen einer lieben Familie stehen, wo wir mit ein paar Hühnern und Hunden unter dem Auto wunderbar schlafen.

Tiefe Schlaglöcher und teils grob geschotterte Strassen entschleunigen das Vorankommen. Doch spannendes Reisen ist eben oft nicht bequemes Reisen. So bleibt dafür mehr Zeit, um die vielen neuen Eindrücke und das liebenswürdige Chaos am belebten Strassenrand zu geniessen. Die Männer auf dem Schweinetransporter winken uns fröhlich zu und ein Bus überholt uns waghalsig. Die bunt lackierten und dekorierten Schulbusse sind in Guatemala das Transportmittel Nummer Eins. Die Camionetas düsen durchs ganze Land. Dabei gibt es ultramoderne, aber auch schrottreife Exemplare. Vor allem Sonntags sind sie gerne übervoll mit Menschen, Tieren und Waren aller Art beladen.

Am frühen Morgen ist es auf dem Wanderpfad zum Vulkan Pacaya herrlich ruhig. Noch ist weit und breit kein anderer Tourist in Sicht. Ein lieber Hund, der uns die letzte Nacht auf dem Parkplatz bewacht hat, begleitet uns hoch. Aus der schwarzen Magma-Gestein-Wüste unterhalb des Vulkankegels steigen warme Gase auf. Eine idyllische Stimmung umgibt uns, während sich die umliegenden Vulkane noch im Nebel hüllen.

Wir kraxeln das letzte, rutschige Stück hoch. Am rauchenden Kraterrand auf gut 2500 Meter verschlägt es uns den Atem, nicht nur wegen des starken Windes. Wir sind alleine, bis uns ein Parkranger folgt und erklärt, dass wir hier eigentlich gar nicht sein dürften. Der Pacaya hat vor zwei Monaten gespuckt und der Krater ist daher momentan gesperrt. Wir dürften aber doch noch kurz Fotos machen. Die guatemaltekische Freundlichkeit scheint keine Grenzen zu kennen. Unten angekommen, löst das Adrenalin Glücksgefühle in uns aus. Für all die Touristenmassen, die gerade hochkommen, sitzt nun das Wachpersonal am Häuschen unterhalb des Gipfels. Wir waren zu oder einfach genug früh hier oben 😉

Die Wanderung hat hungrig gemacht. Wir haben Lust auf eine Schweizer Bratwurst und die gibt‘s sogar! Dank eines St.-Gallers aus Buchs, der Anfang des 20. Jahrhunderts per Schiff nach Kanada auswanderte. In den USA lernte er seine Frau, eine Guatemaltekin, kennen und was hier in Guatemala Stadt mit dem Verkauf von Hühnereiern begonnen hat, ist heute in der dritten Generation ein gut organisierter Grossbetrieb. Walter und Elisabeth Senn und ihre weiteren Geschwister führen das Cabaña Suiza. Es gibt ein Hotel mit Café und für Hochzeiten sogar eine Kapelle und einen Helikopter-Landeplatz. Overlander dürfen, sofern sie im Restaurant etwas konsumieren, kostenlos auf der grossen Wiese campen. Das machen wir noch so gerne. Schliesslich steht nebst der leckeren Bratwurst mit Rösti oder Kartoffelsalat sogar eine Engadiner Nusstorte auf der Speisekarte 🙂

Gestärkt verbringen wir einige Stunden im Verkehrschaos der Hauptstadt. Das Auffüllen unserer Gasflasche gestaltet sich als einfach. Etwas komplizierter ist die Suche nach einer Batterie. Die Zweitbatterie, die seit Chile unser Häuschen versorgte, hat leider den Geist aufgeben. Doch irgendwann werden wir fündig und können die Stadt verlassen. Ein paar Kilometer ausserhalb befindet sich La Antigua Guatemala, die ehemalige Hauptstadt, wo wir die nächsten Tage bei der Touristenpolizei kostenlos und sicher stehen.

Nach mehreren schweren Erdbeben wurde der Regierungssitz während der Kolonialzeit 1776 von Antigua nach Guatemala Stadt verlegt. Heute ist das Kolonialstädtchen am Fuss des Vulkans Agua eine Touristenhochburg. Dennoch herrscht eine authentische Stimmung und die Einheimischen begegnen uns enorm freundlich. Die Menschen scheinen tolerant, weltoffen und gleichzeitig traditionsbewusst zu sein.

Zur Fiesta zu Ehren des Schutzpatrons Santiago finden Prozessionen und Umzüge statt. Es gibt Feuerwerk und eine Chilbi mit vielen Essensbuden.

Das Hochland im Südwesten Guatemalas ist das kulturelle Zentrum der direkten Nachfahren der Maya. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung teilt sich diesen Ursprung. Damit gibt es so viele Indígenas, wie in keinem anderen zentralamerikanischen Land. Die verschiedenen Maya-Bevölkerungsgruppen sprechen noch heute mehr als 20 verschiedene Maya-Sprachen! Im Herzen des Hochlands liegt, von hohen Bergen und drei Vulkanen umrahmt, der tiefblaue Bergsee Lago Atitlán.

Eine enge Serpentinenstrasse führt uns steil ans Seeufer herunter, wo wir in Panajachel auf einem Parkplatz nebst einem Hotel übernachten wollen. Wie existenziell die Armut in Guatemala sein kann, stellen wir beim heutigen Mittagessen fest. Ein älterer Mann erbittet Thomas, sein Essen mit ihm zu teilen. Hungrig und mit einem Schmunzeln in den Mundwickeln verzehrt der Herr in kürzester Zeit ein paar Kartoffeln, Bohnen und Tortillas. Danach steht er wortlos, mit einem zahnlosen Grinsen vor unserem Fenster. Anscheinend ist er noch immer hungrig und so reichen wir ihm eine Banane. Wir trauen unseren Augen nicht, als der Mann diese gleich samt dicker, schon brauner Schale verdrückt!

Schon lange bevor Kolumbus ankam, war das benachbarte Sololá ein wichtiges Handelszentrum. Das Städtchen hat sich seine Traditionen und Ursprünglichkeit bewahrt und der Anteil der indigenen Bevölkerung liegt bei über 90 Prozent. Am heutigen Markttag entdecken wir im Farbenmeer aus Trachten und Tüchern gerade mal ein weiteres weisses Paar. Wir schlendern durch das fröhliche Durcheinander. Wir staunen, schmunzeln und geniessen… Jeder Fleck wird genutzt, um Fleisch, Gemüse, Früchte, Haushaltswaren, Kleidung, Elektrogeräte und noch viel mehr feilzubieten. Es riecht wundbar süsslich nach Mais und Tortillas, nach frischen Kräutern und Fleisch auf dem Grill.

Per Boot besuchen wir drei weitere Dörfer am Ufer des Lago Atitláns: das hübsche San Juan La Laguna, den touristischen Hippieort San Pedro und Santiago Atitlán mit seinem grossen Artesania-Markt.

In San Juan beeindrucken uns die Weberei-Kooperativen. Frauen aus der Region produzieren in einer Genossenschaft traditionelle Textilien. Die Handwerksarbeiten sind sorgfältig verarbeitet und die Baumwolle wird mit Naturprodukten gefärbt. Mit dem Erlös sichern die Frauen sich und ihren Familien das Überleben und ermöglichen ihren Kindern Schulbesuche.

Auf unserer Weiterfahrt machen wir im Dorf San Andrés Xecul einen Halt, denn die knallgelbe Kirchenfassade gilt als die bunteste Guatemalas.

In einem fruchtbaren Tal liegt das Bergdorf Zunil. Mittlerweile an die Hitze gewöhnt, frieren wir bei den hier kühlen Temperaturen. So übernachten wir auf dem Parkplatz des Termalhotels las Cumbres und erfreuen uns der wärmenden Sauna.

Auch am Montagsmarkt in Zunil sind wir fast die einzigen Touristen. Wir staunen einmal mehr über die kreativen Webarbeiten der farbenfrohen Trachten. Die Frauen tragen Wickelröcke mit abwechslungsreichen Mustern. Das Huipil, die Bluse, hat ein anderes Muster, passt aber im Ton meist perfekt zum Rock und ist nicht weniger aufwendig gewebt und bestickt. Die Vielfalt der Stoffe und Kombinationen ist faszinierend. Während die Frauen ihre traditionelle Kleidung auch im Alltag tragen, hat sich die Tracht der Männer leider bis auf wenige ursprüngliche Regionen verloren. Die Männer bevorzugen einfache Hemden und Jeans-Hosen im westlichen Stil

In der Grossstadt Quetzaltenango, kurz Xela genannt, übernachten wir auf einer Wiese zwischen einem Zirkus und dem McDonalds. Die Polizei will ein Auge auf uns haben und kommt täglich auf einen Schwatz vorbei. Sie möchten, dass wir in der Schweiz gut über ihre Stadt berichten. Das wollen wir hiermit gerne tun! Zum ersten August backt Thomas einen leckeren Weggen, wozu wir uns ein gutes Stück Schinken gönnen.

Wir schlendern über den Markt und die Altstadt von Xela, welche zwar keine grossartigen Sehenswürdigkeiten hat, aber ganz gemütlich ist.

Über grüne Hügel, durch Maisfelder und Kieferwälder fahren wir nach Chichicastenango. Am Strassenrand werden Äpfel und Pfirsiche verkauft. Lokale Äpfel, für uns ein Highlight, denn diese sind in Zentralamerika meist importiert und entsprechend teuer. Der Strassenrand wir auch genutzt, um die ellenlangen Baumwollschnüre für die Webarbeiten zu sortieren.

In Chichicastenango besuchen wir den letzten guatemaltekischen Markt, von denen wir eigentlich gar nicht genug bekommen können. Schon am Vorabend beobachten wir, wie die Menschen aus den umliegenden Dörfern schwer bepackt mit ihren Kunsthandwerken anreisen. Während die Verkäufer bei ihren Ständen übernachten, stellen wir Rudolph auf das Fussballfeld nebst dem Polizeiposten. Auch hier begegnen uns die Polizisten sehr freundlich und hilfsbereit. Chichi war schon immer eine bedeutende Handelsstadt. Der Markt, der jeden Donnerstag und Sonntag stattfindet, gehört zu den grössten des Landes und ist seit Jahrzehnten ein Touristenmagnet. Wir geniessen die tollen Bilder. Motive, die sich wunderbar für ein Puzzle eignen würden. Überall wird fleissig gefeilscht und verhandelt. Eine alte Frau schlurft barfuss durch die Gassen, eine andere balanciert gekonnt eine grosse Schüssel Tortilla-Teig auf ihrem Kopf. Männer wie Frauen tragen schwere Lasten in ihren Tüchern. Der kleine Junge, der seit Stunden in den Gassen Süssigkeiten verkauft, strahlt über beide Ohren, als ihm sein Vater Geld für das günstigste Eis gibt. Auf der Treppe vor der Kirche Santo Tomás finden Zeremonien statt. Zwischen Blumen brennen Kerzen, Opfergaben brutzeln im Feuer und im geschwenkten Weihrauch vermischt sich die Weltanschauung der Maya mit dem katholischen Glauben. Am meisten beeindruckt uns aber, wie die Bauern aus dem Hochland, die einfachen Menschen Guatemalas von ihrem Herzen aus strahlen und uns absolut warm und offen begegnen. Ein Reichtum, der mit keinem materiellen Wert der Welt vergleichbar ist und an dem wir uns ein Vorbild nehmen können.

Mehr zu unserer Reise durch Guatemalas Mitte und Norden im nächsten Bericht.